- Es gilt das gesprochene Wort ! -
Anrede,
wir alle wissen, dass die Trennung von Landnutzung und Umwelt einerseits und die Zusammenlegung von Gesundheit und Umweltbereich andererseits keine inhaltlichen Gründe hat, sondern allein aus Gründen der Koalitionsarithmetik erfolgt.
Standen bisher die Folgen der Trennung von Landnutzung und Naturschutz im Mittelpunkt der Diskussion, so möchte ich heute Ihr Augenmerk auf die nachteiligen Folgen der Trennung von Gesundheit und Soziales lenken.
Möglicherweise hätte eine Zusammenfassung von Gesundheit und Umwelt bei der Gründung des Landes Brandenburg noch ihre Berechtigung gehabt. Unbestritten dürfte sein, dass die verkürzte Lebenserwartung der Bürgerinnen und Bürger in der DDR ihre Ursachen auch in der katastrophalen Umweltsituation hatte. Ich nenne beispielsweise Atemwegserkrankungen aufgrund der hohen Schwefelbelastung durch die allgegenwärtige Braunkohlenutzung oder die Strahlenbelastung im Uranbergbau. Verglichen mit den Zuständen vor 1990 können wir aber heute wohl von einer vergleichsweise „sauberen“ Umwelt ausgehen. Ohne Zweifel ist die Luft seit 1989 reiner geworden, die Flüsse tragen weniger Schadstofffrachten, viele in der DDR noch zugelassenen hoch giftigen Pestizide sind heute verboten. Die Lebenserwartung der Ostdeutschen Frauen ist seit 1989 um 6 Jahre gestiegen und liegt inzwischen bei 82 Jahren. Bei uns Männern besteht noch eine Differenz von 15 Monaten.
Vor diesem Hintergrund sind heute nicht mehr gesundheitsgefährdende Umweltgefahren, sondern ist das Verhältnis von Sozialstatus und Krankheit das entscheidende Themenfeld der Gesundheitspolitik.
- Nach dem letzten Lebenslagenbericht des damaligen MASGF von November 2008 ist eindeutig auszumachen, dass die soziale Lage von Familien für ein gesundes Aufwachsen von Kindern von entscheidender Bedeutung ist. So zeigen die Gesundheitsdaten von eingeschulten Kindern und Reihenuntersuchungen der brandenburgischen Gesundheitsämter auf, dass Kinder aus Familien mit niedrigem sozialem Status 2,5 mal häufiger Sprach- und Sprechstörungen als Kinder aus Familien mit hohem sozialem Status haben. Dies trifft besonders für Jungen zu. Das relative Risiko ausgeprägter emotionaler und sozialer Störungen ist für Kinder aus sozial ungünstiger Lage etwa fünf mal höher als für ein Kind aus einer Familie mit hohem Sozialstatus. Weitere Gesundheitsprobleme für Kinder aus armen Familien resultieren aus einer verbreiteten Fehlernährung, die häufig mit starkem Übergewicht einhergeht. Verbunden hiermit steigt das Risiko für Bluthochdruck, Diabetes oder Störungen des Fettstoffwechsels im Alter.
- Familien mit niedrigem Sozialstatus nehmen Früherkennungsuntersuchungen deutlich seltener in Anspruch als andere Familien.
- Dass die Kinder Alleinerziehender mehr medizinisch relevante Befunde aufweisen und höheren Frühförderungsbedarf aufweisen ist keine Folge der Einelternfamilie sondern korreliert nach den Untersuchungsergebnissen eindeutig mit dem niedrigeren Sozialstatus vieler Alleinerziehender. Wie Minister Baaske heute früh ausführte, sind von rund 55.000 Alleinerziehenden mehr als 25.000 Hartz-IV-Empfänger.
Der Lebenslagenbericht von 2008 zeigt darüber hinaus den engen Zusammenhang zwischen Erwerbs- und Gesundheitsstatus auf. Arbeitslose haben deutlich mehr gesundheitliche Probleme und ein höheres Sterberisiko als Menschen, die arbeiten:
- In unserer Gesellschaft definieren sich die Bürgerinnen und Bürger sehr stark über ihre Arbeit – haben sie keinen Arbeitsplatz folgt daraus oft soziale Isolation, Perspektivlosigkeit und der Verlust des Selbstwertgefühls. Die Folgen sind nicht selten Depression, Suchtmittelkonsum und Konflikte mit der Familie.
- BrandenburgerInnen ohne Arbeit sind öfter in stationärer Behandlung (ungefähr doppelt so oft wie Erwerbstätige); der Anteil der Rauchenden ist deutlich höher und auch Übergewichtigkeit ist ein größeres Problem.
- Erwerbslosigkeit und Krankheit bilden einen Teufelskreis, der schwer zu durchbrechen ist. Wer keine Arbeit hat, neigt zu stärkeren Gesundheitsproblemen – wer krank ist, findet schwerer einen Job – lang anhaltende Arbeitslosigkeit verursacht oder verschlimmert wiederum psychische Krankheiten die zu einem noch größeren Hemmnis für die Erwerbslosen bei der Arbeitsplatzsuche werden usw.
Ich denke, ich muss Ihnen den Zusammenhang zwischen Sozialer Lage und Gesundheit nicht noch weiter ausführen.
Gerade Sie als Vertreterinnen und Vertreter von Fraktionen, die nicht müde werden Ihre soziale Kompetenz zu betonen, kann dieser Zusammenhang nicht gleichgültig lassen. Gesundheit und Sozialpolitik gehören auf Landesebene in eine Hand genauso wie Umwelt und Landnutzung in einen Geschäftsbereich gehören.
Der Rücktritt von Frau Ministerin Lieske wäre ein guter Anlass gewesen Fehlentscheidungen aus den Anfangsstunden der Koalition zu korrigieren. Leider haben Sie die Kraft dazu nicht gefunden.So bleibt uns keine andere Wahl als Ihren Gesetzentwurf abzulehnen und dem Antrag der CDU-Fraktion zuzustimmen.