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Benjamin Raschke zur Aktuellen Stunde der CDU-Fraktion „Insekten schützen - Artenvielfalt gemeinsam erhalten“

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Gäste! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Meine Güte - so viel Artenschutz am frühen Morgen. Das wärmt einem ja richtig das Herz. Ich bin in einer angenehmen Situation: Ich muss Sie jetzt nicht mit all den Bedeutungen von Insekten beglücken, Ihnen auch nicht sagen, welche nüchternen, erschreckenden Fakten wir Grünen in den letzten Jahren zum Insekten- und Artensterben zusammengetragen und welche Vorschläge wir gemacht haben. Das alles haben meine Vorredner schon hervorragend getan.

Deswegen möchte ich meine Redezeit nutzen, um Ihnen etwas über mein Gefühlsleben zu berichten.

(Allgemeine Unruhe)

Ich höre Aufmerksamkeit - vielen Dank.

(Bischoff [SPD]: Das aktuelle Gefühlsleben, das ist ja die Aktuelle Stunde!)

- Das aktuelle Gefühlsleben, vielen Dank, Herr Bischoff. - Was bewegt einen grünen Umweltpolitiker, wenn er liest, dass die CDU einen Antrag auf eine Aktuelle Stunde zum Thema Artenschutz stellt?

(Dombrowski [CDU]: Freude! - Weitere Zurufe von der CDU)

- Ja, viele Stichworte. - Ich versuche einmal, es zu sortieren. Das erste war Unglauben. Ich hielt es für einen Aprilscherz. Denn da ist man als Grüner jahrelang Rufer in der Wüste, seit Jahren mahnen wir Arten- und Insektenschutz an, unterbreiten wir unermüdlich Vorschläge, und plötzlich scheint der Durchbruch da zu sein. Plötzlich gehen freitags weltweit junge Menschen auf die Straße, plötzlich rennen über eine Million Menschen in Bayern aufs Amt, um ein Volksbegehren zum Artenschutz zu unterschreiben. Plötzlich gibt es ein solches Volksbegehren auch in Brandenburg, was wir uns schon seit Langem wünschen. Plötzlich schickt einem die Pressesprecherin am Sonntag eine SMS: Grüne bei 12 %. - Und dann kommt auch noch die CDU und beantragt eine Aktuelle Stunde zum Thema Artenschutz.

Das Erste ist Erstaunen. Das Zweite ist - Herr Dombrowski, Sie haben recht - Freude. Es ist natürlich toll, wenn Grün so wirkt. Wenn Sie sich auf uns zubewegen, ist das natürlich eine Freude. Welch schöneres Kompliment könnte es geben, als kopiert zu werden?

(Beifall der Abgeordneten Bretz und Dr. Redmann [CDU] sowie Vogel [B90/GRÜNE])

Es ist tatsächlich vor allem Freude, weil das Bewusstsein über die wichtigste Menschheitsaufgabe - der Schutz der Arten, der biologischen Vielfalt - hier offenbar angekommen ist. Die wichtigste planetare Grenze, die wir ständig überschreiten, ist nicht nur Thema geworden, sondern - wie ich gesehen habe - alle Fraktionen haben heute einen Entschließungsantrag vorgelegt, um zu dokumentieren: Wir wollen sofort handeln. - Da ist die Freude groß. Wir Grünen haben Liebe für jeden, der zum Artenschutz beitragen möchte.

Aber - natürlich gibt es ein Aber -: Die Skepsis ist groß.

(Dr. Redmann [CDU]: Ach!)

Wir stehen vor den Wahlen. Und den Antrag sehe ich nicht nur als mögliches Angebot für Koalitionsverhandlungen.

(Lachen bei der Fraktion DIE LINKE)

Ich sehe ihn auch als Versuch, Wählerinnen und Wähler zu beeinflussen, zu täuschen, als einen Versuch, Greenwashing zu betreiben.

(Zuruf von der CDU: Wer?)

Ja, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, das ist schon erstaunlich: Nicht nur, dass Sie uns heute erzählen wollen, dass der Wolf die Insekten bedroht und frisst. Es kam auch jahrelang nichts von Ihnen. Wenn etwas zum Thema Insekten kam, dann war es höchstens das Thema Rassezuchtgesetze bei Bienen oder - wenn man sehr großzügig ist - die Soko „Imker“ beim Maskenmann.

Und wenn Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, den Minister dafür feiern, dass er einen „Insektengipfel“ durchführen will, dann ist das schön und gut, aber jahrelang kam da gar nichts, wie Dieter Dombrowski sehr schön ausgeführt hat.
Nicht nur, dass viele Jahre nichts kam. Sie haben alle unsere Anträge und Vorschläge abgelehnt. Das ist eine lange Liste - im Schnitt gab es fast jede dritte Plenarsitzung etwas -: „Nachhaltigkeitsbeirat wieder einsetzen“ 2014 abgelehnt, „Ökoaktionsplan“ im Juni 2018 abgelehnt - steht jetzt wieder im Antrag -‚ „Weidetierprämie“, „Mehr Schafe auf die Deiche“, „Pestizidfreie Kommunen“ im Juni 2018 abgelehnt.

Damit möchte ich mich jedoch nicht aufhalten, denn es gibt noch ein viertes Gefühl: Entschlossenheit. Wenn Sie von der CDU-Fraktion - und Sie von der Linken und von der SPD - der Meinung sind und es ernst meinen, greifen wir Grüne gerne zu. Lassen Sie uns eine Allianz für den Artenschutz bilden - von mir aus mit der nächsten Landesregierung, vor allem aber außerparlamentarisch mit den Landnutzerinnen und Landnutzern, mit dem Städte- und Gemeindebund und mit den Umweltverbänden. Dann machen wir das gemeinsam.

Eine echte Allianz für den Artenschutz hat aber einen Prüfstein. Der heißt Pestizide.

(Beifall B90/GRÜNE)

Denn, wie Carsten Preuß deutlich herausgearbeitet hat, Pestizide haben nicht nur eine direkte, sondern auch eine indirekte Wirkung.

Präsidentin Stark:

Herr Abgeordneter, lassen Sie eine Zwischenfrage zu?

Raschke (B90/GRÜNE):

Sehr gerne, Ich führe den Gedanken noch zu Ende. - Pestizide sind das Schmiermittel für die industrielle Landwirtschaft, für die Monokulturen, für all unsere Agrarwüsten. Ohne Pestizide würden sie nicht funktionieren. - Jetzt sehr gerne die Zwischenfrage.

Raschke (B90/GRÜNE):

Das waren eine ganze Reihe von Nachfragen. Ich versuche, sie von vorne nach hinten zu beantworten.

Erstens zum Flächenverbrauch Ja, das ist ein großes Thema. Wir haben das Thema gerade noch einmal aufgegriffen. Michael Jungclaus hat für uns eine Große Anfrage beantwortet, die auf der Tagesordnung des nächsten Plenums stehen soll.

(Zurufe: Er hat sie beantwortet?)

Es soll auch einen Entschließungsantrag dazu geben.

(Heiterkeit)

- Er hat sie nicht beantwortet, er hat sie gestellt. Beantwortet hat sie dankenswerterweise die Landesregierung.

Diesen Prüfstein haben wir beim nächsten Plenum. Ich freue ich mich auf Ihre Beiträge und hoffe, dass Sie unserem Entschließungsantrag dann zustimmen werden.

Zweitens zu den Landwirten: Ich glaube nicht, dass sie allein schuld am Insektensterben sind. Carsten Preuß hat es schon gesagt: Viele von ihnen sind bereit und brauchen einen richtigen Rahmen, den wir ihnen setzen müssen.

Drittens zu den Volksinitiativen: Ja, ich hätte mir auch gewünscht, dass es so etwas gibt. Man kann das aber nicht so machen wie die Volksinitiative der Landnutzerverbände, nämlich erstens einen Text vorlegen und sagen: „Friss oder stirb! Wir können ihn nicht mehr ändern, ihr müsst ihn so nehmen.“, und das zweitens so kurzfristig machen, dass man keine Chance mehr hat zu reagieren. Wenn man einen ernsthaften Dialog will, muss man das mit offenem Visier und offenen Augen machen und kann das nicht durch die Hintertür versuchen.

(Beifall B90/GRÜNE)

Präsidentin Stark:

Sie haben jetzt nur noch ganz wenig Zeit für einen geeigneten Schlusssatz.

Raschke (B90/GRÜNE):

Herzlichen Dank. - Liebe Kolleginnen und Kollegen, beweisen Sie bitte gerne noch heute, dass es Ihnen wirklich ernst ist - wir haben einen Entschließungsantrag vorgelegt -‚ mit einem Federstrich alle landeseigenen Agrarflächen pestizidfrei zu machen und somit eine Oase für die Insekten und für die Artenvielfalt zu schaffen. Greifen Sie zu und werden Sie grün.

(Beifall B90/GRÜNE)

Raschke (B90/GRÜNE):

Sehr gerne, denn es gibt mir die Gelegenheit zu unterscheiden. - Herr Dombrowski, ich mache einen Unterschied zwischen Ihrer auch persönlichen Glaubwürdigkeit beim Thema Artenschutz und der von CDU und SPD. Da gibt es einen Unterschied.

Sie haben einige Beispiele, wie die Abberufung des Nachhaltigkeitsbeirates aufgeführt. Es ist uns nicht gelungen den Nachhaltigkeitsbeirat wiedereinzusetzen, weil es am Widerstand des SPD-Ministers gescheitert ist. Sie haben die Weidehaltung angemahnt. Auch wir haben versucht, zum Beispiel mit einer Weidetierprämie etwas hinzubekommen. Sie haben das Thema Blühstreifen angesprochen. Auch das ist kein Verdienst des Ministers. Das hatten wir als Landtag beschlossen.

Man muss jedoch aufpassen, dass das nicht Kosmetik wird. Meine große Sorge ist, dass es in den Händen des SPD-Agrarministers eine kosmetische Maßnahme wird und wir monokulturelle Maisfelder und ein paar Blühstreifen am Rande haben. Das hilft weder der Artenvielfalt noch den Imkerinnen und Imkern. Wir brauchen große Flächen, die wir zum Blühen bringen und die Trittsteine sind, und ganze Verbünde von Oasen, die den Bienen dienen.

Zum Schluss möchte ich betonen: Wir Grüne sind schon lange am Thema Artenschutz dran. Ich möchte uns aber nicht größer machen, als wir sind. Das ist eine so große Aufgabe, dass ganz vorn Platz für alle da ist, die mit dabei sein wollen. Es muss nur ernst gemeint sein. Einer der wirklichen Prüfsteine dafür ist das Thema Pestizide.

(Beifall B90/GRÜNE)