>> Unsere große Anfrage und die Antwort der Landesregierung als pdf-Datei.
- Es gilt das gesprochene Wort!
Herr Präsident! Sehr geehrte Gäste! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich zunächst erläutern, warum wir über die Antwort auf die Große Anfrage zu Großschutzgebieten diskutieren. Brandenburg war bekanntermaßen - viele von Ihnen wissen das besser als ich - lange Vorreiter beim Naturschutz, international beachtet. Das lag vor allem an seinen Großschutzgebieten, seinem System der Großschutzgebiete, am Nationalpark, an den drei Biosphärenreservaten und elf Naturparks.
Damit das so bleibt, liebe Kolleginnen und Kollegen von Linken und SPD, haben Sie in Ihrem Koalitionsvertrag das Versprechen abgegeben, die Großschutzgebiete nicht nur zu behalten, sondern sie zu stärken. Nun ist die Amtszeit Ihrer rot-roten Regierung fast vorbei, und wir dachten: Wir werden Ihnen ein bisschen auf den Zahn fühlen. Wie steht es um unsere Großschutzgebiete? Wie steht es um Ihr Versprechen, sie zu stärken?
Sie ahnen schon: Wenn wir so fragen, haben wir einen gewissen Anfangsverdacht. Gut ja, mit den Antworten auf die Große Anfrage hat sich dieser Anfangsverdacht erhärtet, aber - das ist das Interessante - entschieden ist das Ganze offenbar noch nicht. Dabei geht es, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD-Fraktion, vor allem um Sie. Für uns Grüne ist das hier ein Herzensthema. Wir treiben Sie da gerne an. Bei Ihrem Koalitionspartner DIE LINKE hat, allenfalls, der Finanzminister von Berufs wegen etwas Vorbehalte.
- Er ist ein Freund der Großschutzgebiete, umso besser. - Sie sehen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD-Fraktion, bei der Frage, ob das Versprechen aus Ihrem Koalitionsvertrag eingehalten wird, geht es am Ende: um Sie.
Wenn ich das richtig beobachtet habe, gibt es bei Ihnen offenbar drei Gruppen, die miteinander wetteifern. Es gibt eine erste kleine Gruppe - eine tapfere Gruppe -, die dafür gesorgt hat, dass es überhaupt im Koalitionsvertrag steht, die sich seitdem dafür einsetzt, dieses Versprechen umzusetzen. Dann gibt es eine zweite kleine Gruppe. Sie ist sehr mächtig und arbeitet seit Jahren daran, dass dieses Versprechen nicht eingehalten wird, sondern der Naturschutz ganz im Gegenteil abgebaut wird.
Ich sprach von drei Gruppen. Die größte Gruppe ist die dritte Gruppe. Eigentlich ist es keine Gruppe, sondern es sind viele einzelne in der SPD, die sich bisher nicht für das Thema interessiert haben oder vielleicht noch nicht dazu gekommen sind, sich damit zu befassen.
Die erste tapfere kleine Gruppe ist aus meiner Sicht eine sehr attraktive, weil wachsende Gruppe. Sie hat sich innerhalb der SPD-Fraktion gerade ganz klar mit einem Papier positioniert. Dafür ein Dankeschön. Wenn ich in Ihre Runde schaue, muss und kann ich davon ausgehen, dass Sie alle hier wahrscheinlich zur ersten, dieser tapferen Gruppe gehören, die sich für die Stärkung der Großschutzgebiete ausspricht.
Wenn das so ist, haben wir die Antwort auf die Große Anfrage heute deswegen auf die Tagesordnung gesetzt, um Ihnen den Rücken zu stärken. Wenn Sie allerdings in sich gehen und feststellen, dass Sie sich damit noch nicht so richtig beschäftigt haben und vielleicht eher zur dritten Gruppe gehören, werben wir mit Blick auf unsere Große Anfrage und unseren Antrag dafür, dass Sie zu der ersten, kleinen, aber sehr attraktiven Gruppe stoßen.
Warum sollten Sie das tun? Lassen Sie mich dafür etwas tiefer einsteigen und mit den Antworten auf die Große Anfrage erstens aufzeigen, warum unsere Großschutzgebiete überhaupt so wichtig sind, und zweitens, was Sie tun müssen, um Ihr eigenes Versprechen den Wählerinnen und Wählern gegenüber einzuhalten.
Erstens: Warum sind die Großschutzgebiete so wichtig? Natürlich zunächst weil sie Naturschutz gewährleisten. Sie schützen wichtige Arten. Wir lösen damit unsere globale Verpflichtung ein und schützen unsere Lebensgrundlagen. Aber sie leisten aber viel mehr als das; das hervorzuheben, ist mir wichtig. Sie sind von vornherein so konzipiert, interdisziplinär zu arbeiten. Sie sind Modellregionen für nachhaltiges Leben und bringen Ökologie und Wirtschaft zusammen. Sie sind Orte, an denen wir Wege entwickeln, zum Beispiel regionale Lebensmittel, mit regionaler Verarbeitung und mit Tourismus kombiniert. Das bringt Geld und Lebensqualität gerade in die ländlichen Regionen. Ich zitiere aus der Antwort auf unsere Frage 3: Sie sind „die Basis des touristischen Erfolges“ unseres Landes. Wenn Ihnen das zu theoretisch ist, empfehle ich Ihnen etwas Praktisches. Schlemmen Sie sich doch einfach einmal durch einen der leckeren „Naturparkteller“, zum Beispiel im Schlaubetal. Da haben Sie das live.
Aber nicht nur das: Drittens sind unsere Großschutzgebiete unverzichtbar, um die EU-Verpflichtung einzuhalten. Wenn wir die Richtlinien der Europäischen Union umsetzen wollen - die Wasserrahmenrichtlinie, die Hochwasserschutzrichtlinie, vor allem die FFH-Richtlinie-, geht das nur mit gestärkten Großschutzgebieten. Denn zwei Drittel aller Natura 2000-Gebiete in Brandenburg - so die Antwort auf unsere Frage Nummer 4 - liegen in unseren Großschutzgebieten. Sie sehen also: Großschutzgebiete sind wichtig. Sie zu stärken ist unverzichtbar.
Damit bin ich beim zweiten Punkt. Was müssen Sie tun, um unsere Großschutzgebiete zu stärken? Da lohnt ein Blick in die Antwort der Frage Nummer 12. Seit 2005 - das steht dort - wurden 31 Stellen in den Großschutzgebieten gestrichen. 31 Stellen! Das ist ein Drittel des gesamten Personals. Und wäre die Antwort der Landesregierung ehrlich gewesen, würde dort stehen: Seit 2001 wurden 50 % der Stellen gestrichen. Aber nicht nur das: Eine Antwort später auf Frage Nummer 13 lesen wir heraus: Das wird noch schlimmer. In Zukunft ist geplant, weitere fast zehn Stellen zu streichen. Und wir haben es gerade gelernt: In der Verwaltung selbst wurde die koordinierende Abteilung auch noch gestrichen.
Das alles hat konkrete Folgen. Unsere Großschutzgebiete werden von Externen evaluiert. In der Antwort auf unsere Fragen 43, 44, 45 ist zu lesen, dass wir viele der Aufgaben nicht mehr erfüllen können, unter anderem eine der wichtigsten Aufgaben: die Vermittlung zwischen Naturschutz und Landnutzung. Das haben wir gerade akut im Umweltausschuss auf dem Tisch. Das liegt daran, dass wir das Personal in den Großschutzgebieten gekürzt haben. Das UNESCO MAB-Komitee hat unsere Landesregierung explizit aufgefordert - das ist ein Passus, der in der Antwort auf die Große Anfrage leider nicht zitiert wurde -, mehr Personal zu schaffen.
Da sind wir nur bei den bestehenden Aufgaben, es kommen aber noch neue Aufgaben hinzu. Ich habe es gerade erwähnt: FFH-Gebiete. Ein Beispiel: Im Biosphärenreservat Schorfheide-Chorin sind 50 Gebiete mit 49 000 Hektar zu planen. Dafür stehen anderthalb Stellen bereit: 1,5 Personen, um 49 000 Hektar zu planen! Dasgeht selbst mit den besten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Welt nicht gut.
Deswegen, liebe Kolleginnen und Kollegen, kommt es auf Sie an: Wenn Sie erstens verhindern wollen, dass uns die EU dafür richtig dicke Haushaltsanlastungen ins Buch schreibt, die - ich zitiere aus dem Papier der SPD - Haushaltsrisiken in Größenordnungen bringen und unsere gesamte Brandenburger Volkswirtschaft bedrohen. Wenn Sie zweitens den Naturschutz stärken wollen und das beste Modell für eine nachhaltige Entwicklung in den ländlichen Räumen - stärken. Und wenn Sie drittens auch Ihr Versprechen einlösen wollen, die Großschutzgebiete in Brandenburg zu stärken, dann lassen Sie sich von uns locken.
Schließen Sie sich der ersten Gruppe an. Streiten Sie gemeinsam mit uns und der Linken für eine Stärkung der Großschutzgebiete! Stimmen Sie unserem Antrag heute zu! Wir fordern darin mindestens 29 Stellen mehr für die Großschutzgebiete; das ist das absolute Minimum, um wenigstens wieder etwas an die ursprünglichen Zeiten heranzukommen. Stärken wir gemeinsam die Großschutzgebiete!
Ich danke dem Ministerium ausdrücklich für die ausführliche Beantwortung der vielen Fragen in unserer Großen Anfrage. Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit und werbe um Zustimmung zu unserem Antrag. - Vielen Dank.
Unser Entschließungsantrag wurde abgelehnt.