>> Antrag: „Illegale Mülldeponien - wissen was drin ist“ (pdf-Datei)
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In jedem Landkreis, oder, wie Minister Vogelsänger sagen würde, in jedem Ihrer Wahlkreise rottet irgendwo illegaler Müll auf einer Halde vor sich hin. Um diese Geschichte ranken sich viele Rätsel. Unter anderem ist gar nicht klar, um wie viele illegale Müllhalden es sich eigentlich handelt.
Zuletzt hat das zuständige Ministerium die Zahl von 148 illegalen Müllhalden in Brandenburg herausgegeben. Die meisten befinden sich übrigens in Märkisch Oder-land. Aus der Presse ist zu entnehmen, dass die Zahl durchaus noch größer sein dürfte. Im Internet gibt es eine Karte, die Sie sich gern anschauen können; daraus gehen viele Anlagen hervor, die das Ministerium noch nicht aufgeführt hat.
Um noch einmal bei dieser Zahl zu bleiben: Da wird ab und zu eine Anlage geräumt, und dann kommt wieder eine neue hinzu - am Gesamtbild ändert das aber nichts. Es gibt eine Unmenge von illegalen Mülldeponien in Brandenburg. Wir haben es also nicht nur mit der schreienden Ungerechtigkeit zu tun, dass irgendjemand dicke Gewinne einkassiert hat und der Schaden bei der Allgemeinheit liegt, sondern das heißt auch, dass jede und jeder von Ihnen vor der Haustür, quasi im Wahlkreis, eine mögliche Gefahrenquelle vor sich liegen hat.
Vielleicht liegt an den meisten Orten ungefährlicher Müll, vielleicht sind aber auch viele Orte dabei, in denen das Grundwasser bedroht ist oder in denen spontan Brände auftreten können, was auch bei den legalen Mülldeponien immer wieder vor-kommen kann. Der Punkt ist: Wir wissen es nicht. Wir wissen nicht, was da los ist, denn wir wissen nicht, was drinnen ist.
Das aber können wir aber heute ändern, liebe Kolleginnen und Kollegen. Beauftragen wir Landesregierung, eine Bestandsaufnahme zu machen, einmal her-umzufahren und Proben zu nehmen und dann eine Liste zu erstellen, die aufzeigt: Welches sind die gefährlichen Anlagen? Welches sind die sehr gefährlichen Anlagen? Welche Anlagen sind weniger gefährlich, mit denen wir noch ein wenig Zeit haben? Dann hat nämlich auch das Rätselraten ein Ende, und man kann endlich sagen, wo wir zuerst anpacken müssen und womit wir uns vielleicht noch ein wenig Zeit lassen können. Bis dahin ist natürlich jede Räumung, die vorgenommen wird, eine gute Sache. Das ist immer auch sehr pressewirksam. Herr Minister, es ist aber vor allem aktionistisch; denn das hat mit einer verantwortlichen Gefahrenpolitik gar nichts zu tun.
Ich weiß, bei Ihnen bestehen zum Teil Zweifel. Das hat sich auch in der Diskussion im Vorfeld gezeigt. Diese Zweifel möchte ich gerne ausräumen. Da heißt es: Da besteht doch gar keine Gefahr, wo also ist das Problem? Ich frage Sie: Woher wissen Sie denn, dass da keine Gefahr droht? Was macht Sie denn so sicher? - Im Vorfeld habe ich drei Argumente gehört, auf die ich gerne eingehen möchte.
Erstes Argument: Wenn es wirklich gefährlich wäre, dann hätte sich in der Zwischen-zeit doch schon mal jemand darum gekümmert. Dann hätte man das doch nicht so ewig herumliegen lassen. - Dieses Argument geht jedoch völlig fehl. Sie sollten sich nicht in falscher Sicherheit wiegen. Denn der einzige Grund, warum das alles so lange in der Landschaft herumliegt, besteht darin, dass sich das Land und die Landkreise über viele Jahre hinweg einen Gerichtsstreit geliefert und sich gegenseitig den Schwarzen Peter hin und her geschoben haben. Das sagt überhaupt nichts aus über die Gefährlichkeit der Stoffe.
Das zweite Argument lautet so ähnlich: Na ja, das liegt doch schon so lange dort, da kann doch nichts mehr passieren. - Na, dann fragen Sie aber mal die Kolleginnen und Kollegen von der Freiwilligen Feuerwehr, die im Zweifel ausrücken müssen, um die Brände zu löschen, wenn nach zehn Jahren irgendwelche Kanister durchgerostet sind und sich plötzlich Sachen vermischen, die nichts miteinander zu tun haben sol-len, oder plötzlich sogenannte exothermische Reaktionen - also Brände - auftreten. Auch beim Sickerwasser es so, dass es eine Weile dauert, bis es im Grundwasser angelangt ist. Wenn es jedoch so weit ist, dann ist der Schaden groß, und dann sind die Klagen groß. - Daher zählt auch dieses Argument nicht.
Das dritte Argument ist das wichtigste; es wurde im Vorfeld immer wieder vorge-bracht: Unsere Behörden sagen, es bestehe doch gar keine Gefahr.
Das stimmt leider nicht. Nicht nur, dass ich bezweifle, dass das Landesamt für Um-welt und das Landesbergamt genug Stellen haben, um das ordentlich zu prüfen - die wurden ja zusammengekürzt und immer wieder umstrukturiert -‚ und nicht nur, dass nicht genug Geld vorhanden ist, um all das zu untersuchen - nein, die Landesregierung sagt selbst in ihrer Antwort - Drucksache 6/4338 - auf eine Kleine Anfrage von mir, dass nur bei einem Teil der Anlagen, für die das Land zuständig ist, überhaupt Untersuchungen vorgenommen wurden, die letzten ungefähr im Mai und August 2013. Dabei wurde geschaut, ob Wasser, Boden und Luft gefährdet sind. Wie lief das ab? Die Landesregierung schreibt in Ihrer Antwort auf meine Kleine Anfrage, das erfolgte durch eine sogenannte Inaugenscheinnahme nach Volumen und Abfallgruppen. Auf Deutsch: Da sind Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter herumgelaufen und haben geschaut, wie groß die Berge sind, was obenauf liegt, wonach das ungefähr aussehen könnte. - Das ist keine Analyse nach Gefährlichkeit.
In der Antwort stand noch ein wichtiger Satz: Eine Beprobung habe nicht stattgefunden. Das heißt - so die Landesregierung -‚ eine Gefahrenabschätzung für Wasser, Boden oder Luft gebe es nur in den wenigsten Fällen, und eine Gefahrenabschätzung nach gefährlichen, giftigen Stoffen gebe es in keinem einzigen Fall. Also, nein: Das Argument, unsere Behörden hätten die Lage im Griff und sie wüssten, was da los ist, sollte Sie nicht in Sicherheit wiegen; denn wenn man nicht genau hinschaut, kann man keine Gefahr feststellen, also wird auch keine Gefahr im Verzug sein.
Aber vielleicht ist das auch gar nicht der Grund Ihrer Skepsis. Vielleicht ist der Grund ein vierter, und zwar ein ganz anderer, nämlich die Sorge, dass es richtig teuer wird, wenn wir einmal damit anfangen. Diese Sorge, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist berechtigt; es wird richtig teuer. Allein die Beräumung in Bernau soll 36 Millionen Euro kosten. Das Ministerium hat einmal ausgerechnet, dass für 45 Anlagen in Landeszuständigkeit - das sind übrigens nicht alle - allein 160 Millionen zu veranschlagen sind. Wenn man sich überlegt, dass es über 148 Anlagen im Land gibt, kommt man auf viele hundert Millionen Euro. Das zeigt nicht nur, dass die Kosten immens hoch sind, sondern auch, dass wir in Zukunft alles tun sollten, um zu verhindern, dass das wieder passiert.
Kurzum: Es wird richtig teuer. Aber wir alle wissen: Handeln kostet, Nichthandeln noch viel mehr. Verstehen Sie mich nicht falsch: Ich möchte nicht, dass das Land alles bezahlt. Darum geht es überhaupt nicht. Es geht darum, dass das Land eine Gefahrenabschätzung vornehmen und sagen können soll, mit welchen Anlagen wir anfangen müssen. Wer das dann zahlt und wer es dann beräumt, steht auf einem ganz anderen Blatt. Bloß: Man muss doch wissen, wen man bei welchen Anlagen zuerst zur Verantwortung ziehen muss und bei welchen man sich vielleicht ein bisschen Zeit lassen kann.
Das Fazit, liebe Kolleginnen und Kollegen, lautet: Beauftragen wir die Landesregierung, herauszufinden, was drinsteckt: Wo besteht Gefahr für Wasser oder durch Brände? Bis dahin kann die Landesregierung gar nicht wissen, wo sie zuerst anpacken soll, und arbeitet nach dem Zufallsprinzip. Lassen Sie uns das beauftragen, dann können Sie auch in Ihrem Wahlkreis ruhigen Herzens sagen: Liebe Wählerin-nen und Wähler, es besteht kein Anlass zur Sorge, oder: Ja, es besteht Anlass zur Sorge, aber wir haben die Lage im Griff. - Deswegen bitte ich um Zustimmung zu unserem Antrag. - Vielen Dank.
(Beifall B90/GRÜNE sowie der Abgeordneten Schade [AfD] und Vida [BVB/FREIE WÄHLER Gruppe])
Unser Antrag wurde angelehnt.
Zweite Rede von Benjamin Raschke zu unseren Antrag „Illegale Mülldeponien“
Vielen Dank Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Ich danke für die Beiträge. Insbesondere Herr Dombrowski hat den Nagel auf den Kopf getroffen: Es ist Chefsache des Ministers. Er hat es selbst zur Chefsache erklärt, und damit hat er die Latte extrem hoch gelegt. Der Anspruch, den wir jetzt haben, ist nun deutlich höher, als wenn er sagen würde, dass sei normales Verwaltungshandeln. Nein, es ist Chefsache. Er drückt damit aus, dass er hat einen besonders verantwortungsvollen Umgang mit diesem sensiblen Thema hat und sich besonders intensiv darum kümmert.
Dass er sich besonders intensiv darum kümmert, stelle ich nicht in Frage. Das haben wir von mehreren Seiten gehört, das ist tatsächlich so, da tut sich etwas. Ich frage nur, ob das Vorgehen verantwortungsvoll ist. Denn es muss darum gehen, zuerst die gefährlichen Anlagen zu beräumen. Wenn Kollege Domres sagt, es gibt den Kriterienkatalog nach Boden, Luft und Wasser, dann ist das nicht verkehrt. Allerdings muss man fragen: Wie kam der zustande, und wie passt das zu bloßer Inaugenscheinnahme? Inaugenscheinnahme heißt: Da sind Mitarbeiter herumgelaufen und haben geguckt: Was ist da los? So ist die Abschätzung etwas schwierig. Kollege Roick hat das Bild entworfen, da würden Leute Müll in den Wald schmeißen - aber darum geht es nicht.
Ich war am Mittwoch mit dem RBB in der Lausitz unterwegs. Wir haben uns eine solche Anlage angesehen. Sie müssen sich das so vorstellen: Da sind Berge, die sind größer als dieser Plenarsaal. Von außen ist etwas zu erkennen - da sind Asbestplatten, da liegen Kanister und alles Mögliche herum. Aber ich kann doch nicht von dieser Ecke des Plenarsaals sehen, was dort hinten in dem riesigen Haufen ist und ob es da nicht etwas Gefährliches gibt. Nur weil man Asbestplatten sieht, heißt das nicht, dass deshalb nicht noch gefährlichere Sachen sind. Deswegen ist es so wichtig, Proben zu nehmen, und deswegen brauchen wir eine Gefahrenabschätzung. Da hat Kollege Dombrowski völlig Recht.
Deswegen ist jede Beräumung gut, Herr Minister. Aber nach dem bisherigen Verfahren ist es Zufall, ob wir zuerst eine gefährliche Anlage erwischen oder nicht. Das ist der Anspruch, den ich an Sie habe, wenn Sie sagen, dass sei Chefsache. Das Geld ist da, der Wille auch. Aber wenn Sie Chefsache sagen, erwarte ich ein verantwortungsvolles Vorgehen. Das heißt für mich: Die gefährlichen Anlagen zuerst. - Vielen Dank.
(Beifall B90/GRÜNE)
Unser Antrag wurde abgelehnt.