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Rede im Landtag: Der Coronapandemie begegnen - Vollstreckung von Ersatzfreiheitsstrafen und kurze Freiheitsstrafen aussetzen

Vielen Dank, Frau Präsidentin,
Werte Gäste an den Bildschirmen!
Werte Abgeordnete!

Wir reden darüber, ob im Land Brandenburg der Vollzug von Ersatzfreiheitsstrafen ausgesetzt werden sollte. Wir haben es schon gehört: Diese werden dann verhängt, wenn Menschen eine Geldstrafe zahlen sollen, aber nicht zahlen können oder nicht zahlen wollen.

Wir sind am Ende der Debatte angelangt. Fast alle Argumente sind ausgetauscht. Aus bündnisgrüner Sicht ist das Ergebnis relativ klar: Ersatzfreiheitsstrafen haben sich nicht bewährt. - Ich fasse zusammen, warum:

Erstens. Sie kosten den Staat, also uns alle, unverhältnismäßig viel Geld. Momentan verbüßen ungefähr 200 Menschen in Brandenburg eine Ersatzfreiheitsstrafe. Dabei geht es oft um Geldsummen von weniger als 1 000 Euro. Jeder Hafttag aber kostet - wir haben es schon gehört - rund 200 Euro. Da kommt man sehr schnell in schweres Fahrwasser.

Zweitens. Ersatzfreiheitsstrafen treffen oft genau diejenigen, die bereits durch soziale Hilfesysteme gerutscht sind.

Drittens. Wir stellen fest, dass es bei Ersatzfreiheitsstrafen - die ja nur sehr kurz angewendet werden - in den Justizvollzugsanstalten nicht zu einer Resozialisierung kommt, sondern stattdessen Stigmatisierung und Isolation eintreten. Warum? Um es zu illustrieren: Beim Schwarzfahren erwischt - 30 Tagessätze. Das sind 30 Tage Ersatzfreiheitsstrafe. Da ist mit Resozialisierung nicht viel zu machen.

Das ist aber die Hauptaufgabe, der wir uns in Brandenburg in den Justizvollzugsanstalten stellen. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die dort tätig sind, sollen ihre Kräfte genau für die Resozialisierung einsetzen - bei den Menschen, die länger dort sind. Diese Kräfte werden aber gebunden durch Menschen, die dort wegen einer Ersatzfreiheitsstrafe sitzen. Inzwischen besteht Einigkeit, dass Ersatzfreiheitsstrafen doch sehr begrenzt in ihrer Wirkung sind; ich formuliere es einmal so. Deshalb werden die Alternativen ausgebaut, auch in Brandenburg. Wir haben es gehört: „Arbeit statt Strafe“. - Von meiner Seite ein herzlicher Dank an die Träger, die das machen. - So viel zur Lage.

Jetzt zu dem Antrag der Linken: Dem werden wir nicht zustimmen.


Zum Ersten - Sie merken es schon: Es gibt dazu unterschiedliche Auffassungen in der Koalition.

Zum Zweiten: Das Aussetzen der Ersatzfreiheitsstrafe hat auch Nachteile. Herr Vida hat einen Nachteil schon angesprochen: die mögliche Ungleichbehandlung.

Vor allem aber haben wir schon bei der letzten Coronawelle gespürt, dass das Aussetzen auch ganz praktische Nachteile hat. Die Strafen werden ja nicht aufgehoben, sondern nur nach hinten geschoben. Das heißt, unsere Mitarbeitenden in den Justizvollzugsanstalten haben dann einen großen Berg an Arbeit, den sie vor sich herschieben und der dann doch abgearbeitet werden muss. Aufgeschoben ist bekanntlich nicht aufgehoben.

Das ist aber nicht das Ende der Debatte. Wir haben es schon gehört: Die Ampelkoalition im Bund hat sich geeinigt, bestimmte Straftaten zu entkriminalisieren. Auch das Sanktionssystem soll überarbeitet werden. Das wird auch die Ersatzfreiheitsstrafe umfassen. Denn eigentlich, liebe Linke, geht es Ihnen ja nicht um das Aussetzen, sondern um das Überflüssigmachen der Ersatzfreiheitsstrafe. Das teilen wir. In diesem Sinne werden wir Bündnisgrünen Ihren Antrag sehr wohlwollend ablehnen.

- Vielen Dank.

Weiterführende Informationen

Rede zu: Antrag "Der Coronapandemie begegnen - Vollstreckung von Ersatzfreiheitsstrafen und kurze Freiheitsstrafen aussetzen" (TOP 14 der 62. Plenarsitzung)