- Es gilt das gesprochene Wort!
Sehr geehrte Frau Präsidentin, werte Abgeordnete, liebe Gäste,
BVB/Freie Wähler legen heute den Fokus auf ein Thema, das uns in der Tat alle umtreibt, den Fachkräftemangel. Er umfasst mittlerweile nahezu alle Branchen und ist neben den vielen Krisen, die unsere Zeit bestimmen, eine echte Bedrohung für die wirtschaftliche Entwicklung, aber auch für die Grundversorgung der Bevölkerung in den Dienstleistungsbereichen wie Gesundheit, Bildung und Verwaltung. Und wir alle wissen, wie schwierig es ist, einen Handwerkstermin zu bekommen.
Die Idee von Herrn Zeschmann ist auf den ersten Blick ja durchaus naheliegend: Wir nehmen die Berufsgruppen mit den größten Engpässen, schauen, wie da die Rahmenbedingungen für die Ausbildung sind, und was wir daran ändern können.
Seine Kriterien waren die Vergütung der Ausbildung - und ob Schul¬geld erhoben wird. Mir fallen zwar noch sehr viele andere Kriterien ein, die bei der Nachwuchsförderung und für erfolgreiche Ausbil¬dungs-abschlüsse bedeutend sein können, aber gut, man muss irgendwo anfangen, und die materielle Lage von Auszubildenden ist zweifelsohne von großer Bedeutung.
Um es deswegen klar vorweg zu sagen: Wir Bündnisgrüne lehnen jegliches Schulgeld für Berufsausbildungen ab und werden uns auch weiterhin für dessen Abschaffung einsetzen.
Zu den sogenannten „Engpassberufen“ hat Kollege Zeschmann eine Kleine Anfrage zu etwaigem Schulgeld und zur Vergütung der Ausbildung gestellt, für die ich mich herzlich bedanke, weil ich aus der Antwort einiges gelernt habe. Nur – wenn ich diese Antwort lese und dann den vorliegenden Antrag, dann habe ich doch meine Zweifel, ob Ihr Vorschlag wirklich so zielführend ist.
Sie wollen, dass in den Engpassberufen, wo noch Schulgeld für die Ausbildung verlangt wird, das Land das Schulgeld übernimmt. Und dort, wo es keine oder nur eine geringe Ausbildungsvergütung gibt, soll das Land aufstocken. Im Gegenzug sollen die Ausgebildeten sich verpflichten, fünf Jahre im Land zu bleiben. Also quasi ein Modell wie beim Landlehrkräfte- oder Landärztestipendium.
Ich habe aber aus der Antwort der Kleinen Anfrage gelernt: Für die meisten Engpassberufe findet die Ausbildung betrieblich im bewährten dualen System statt. Es fällt gar kein Schulgeld an und die Ausbildungsvergütung gilt meist als angemessen.
Nur im Bereich der Gesundheitsfachberufe gebe es noch zwei Ausbildungen, für die es keine Ausbildungsvergütung gibt. Bei beiden Berufen könnte auch Schulgeld anfallen. Aber für die Ausbildung zur Pharmazeutisch-technischen Assistenz erhält die private Schule in Eisenhüttenstadt bereits Landesmittel, damit kein Schulgeld bezahlt werden muss.
Nur für die Logopädieausbildung in Potsdam am „Institut für Weiter-bildung in der Kranken- und Altenpflege“ wird tatsächlich Schulgeld erhoben. Das wäre dann der einzige Beruf, auf den der Antrag Anwendung fände.
Nun drängen die Länder das Bundesgesundheitsministerium schon lange auf die Umsetzung der vollständigen Schulgeldfreiheit in allen Gesundheitsberufen. Die Ampelkoalition hat in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart: „Vollzeitschulische Ausbildung muss vergütet und frei von Schulgeld sein.“ Für die Pflegeausbildung gilt das schon! Lauterbach plant dazu noch eine entsprechende Novelle bezüglich der therapeutischen Berufe (sprich Logopädie und Ergotherapie), womit dann hoffentlich auch das Schulgeld hierfür Geschichte sein sollte.
Nun wird laut Bundesstatistik ein Ausbildungsbereich nicht als Engpassberuf aufgeführt, den wir für Brandenburg aber inzwischen als solchen wahrnehmen, nämlich den der Erzieherinnen und Erzieher.
Zur Ausbildungssituation für Erzieher*innen gab es ja kürzlich ein Fachgespräch im Bildungsausschuss. Von den Anzuhörenden wurde zu Recht kritisiert, dass an freien Berufsschulen noch Schulgeld anfällt. Hier reicht mir der Verweis des MBJS auf die Möglichkeit, staatliche Schulen zu besuchen oder BAföG in Anspruch zu nehmen, nicht aus.
Aber auch hier lohnt der Blick in den Ampelkoalitionsvertrag. Demnach soll die Ausbildung für Erziehungsberufe generell schulgeldfrei sein. Das sollten wir auch für Brandenburg in Angriff nehmen, und das bleibt ein grünes Ziel für zukünftige Wahlperioden.
Mein Fazit: Wenn es um die materielle Situation von Auszubildenden geht, sollten wir nicht komplizierte ESF-Sonderprogramme aufsetzen, sondern unsere Kräfte darauf konzentrieren, dafür zu sorgen, dass das Schulgeld für alle dauerhaft und unabhängig von ESF-Förderperioden abgeschafft wird und alle Ausbildungen möglichst aus¬kömmlich vergütet werden.
Die ESF-Mittel für berufliche Bildung im Land Brandenburg sind im Übrigen schon für viele sinnvolle Maßnahmen gebunden wie beispielsweise
• das Programm „INISEK“ zur Stärkung der schulischen Berufsorientierung, • Programme wie „Türöffner“ und „LOK“ zur Vermeidung von Ausbildungsabbrüchen und zur Verbesserung der Übergänge zwischen Schule und Beruf, • „Agraraktiv“ zur Förderung des landwirtschaftlichen Nachwuchses. Und wir nutzen ESF für Grundbildungszentren und Weiterbildung in Digitalisierung.
Wir lehnen den Antrag ab.