- Es gilt das gesprochene Wort!
Haben Sie schon mal eine Vorsorgevollmacht ausgefüllt? Für sich selbst oder zusammen mit einem nahestehenden Menschen, der Sie als Bevollmächtigten einsetzen wollte? Dabei kann einem auffallen, wie viele Lebensbereiche und Aufgaben es gibt, die die meisten von uns selbstverständlich im Alltag erledigen: die Sorge für die eigene Gesundheit, Bankangelegenheiten, Behördengänge, die Erledigung der Post. Beim Ausfüllen einer Vorsorgevollmacht gehen Sie alle diese Bereiche durch und müssen bestimmen, für welche Bereiche die Vollmacht gelten soll. Lassen Sie mich einige Beispiele aus einer Vorlage des Bundesjustizministeriums für eine Vorsorgevollmacht vorlesen:
Die Vertrauensperson darf… - …im Rahmen der Ausübung dieser Vollmacht die für mich bestimmte Post entgegennehmen, öffnen und lesen. - … mein Vermögen verwalten und hierbei alle Rechtshandlungen und Rechtsgeschäfte im In- und Ausland vornehmen, Erklärungen aller Art abgeben und entgegennehmen sowie Anträge stellen, abändern, zurücknehmen. - …mich bei Behörden, Versicherungen, Renten- und Sozialleistungsträgern vertreten. - …Rechte und Pflichten aus dem Mietvertrag über meine Wohnung einschließlich einer Kündigung wahrnehmen sowie meinen Haushalt auflösen. - … in eine Untersuchung des Gesundheitszustands, eine Heilbehandlung oder einen ärztlichen Eingriff einwilligen, diese ablehnen oder die Einwilligung in diese Maßnahmen widerrufen, auch wenn mit der Vornahme, dem Unterlassen oder dem Abbruch dieser Maßnahmen die Gefahr besteht, dass ich sterbe oder einen schweren und länger dauernden gesundheitlichen Schaden erleide. - Solange es zu meinem Wohl erforderlich ist (…) über meine freiheitsentziehende Unterbringung, über freiheitsentziehende Maßnahmen (z.B. Bettgitter, Medikamente u. ä.) und über ärztliche Zwangsmaßnahmen entscheiden.
Gerade die letzten Punkte machen deutlich, wie viel Verantwortung Bevollmächtigte übernehmen und wie schwierig einige der Entscheidungen sein können, die sie treffen müssen. Besonders dann, wenn Menschen aufgrund plötzlicher schwerer Erkrankungen oder Verletzungen, mit wenig Vorwarnung nicht mehr in der Lage sind, ihre eigenen Interessen zu vertreten und Entscheidungen zu treffen, liegt oft keine Vorsorgevollmacht vor. Dann ist es Aufgabe von Betreuungsbehörden, Gutachter*innen und Gerichten, darüber zu entscheiden, für welche Aufgaben ein gesetzlicher Betreuer oder eine Betreuerin bestimmt werden muss und wer für diese Aufgabe in Frage kommt. Das können Angehörige oder andere Ehrenamtliche sein oder auch Berufsbetreuer*innen.
Die gesetzliche Betreuung greift in Grundrechte der Betreuten ein – es ist daher wichtig, regelmäßig zu überprüfen ob die Abwägung von Werten wie Fürsorge und Autonomie weiterhin unseren Anforderungen entspricht. Die Neuregelung des Betreuungsrechts auf Bundesebene sorgt für eine Verbesserung der Qualität der Betreuung, indem z.B. Berufsbetreuer*innen einen Sachkundenachweis erbringen müssen. Zudem stärkt sie die Selbstbestimmungsrechte, z.B. durch die Einführung einer erweiterten Unterstützung in der Form eines temporären Fallmanagements mit dem Ziel der Vermeidung einer rechtlichen Betreuung.
Ein Schwerpunkt der Gesetzesreform, den ich besonders hervorheben möchte und für den wir uns bei der Erarbeitung des Haushalts eingesetzt haben, ist die Stärkung der Betreuungsvereine. Ich habe die Vielzahl der Aufgabenbereiche, in denen Betreuer*innen und Bevollmächtigte Verantwortung übernehmen genannt. Betreuungsvereine beraten und begleiten ehrenamtliche Betreuer*innen und Bevollmächtigte und bilden sie fort. Auch bei der Erstellung von Vorsorgevollmachten können sie unterstützen und damit in vielen Fällen eine spätere gesetzliche Betreuung verhindern. Nach Angaben der LIGA gibt es in Brandenburg ca. 130.000 registrierte Bevollmächtigungen und ca. 26.000 Personen, die ehrenamtlich rechtlich betreut werden. Dahinter verbergen sich tausende unterschiedliche Lebenssituationen. Das machten die Anzuhörenden im Sozialausschuss auf beeindruckende Art und Weise deutlich. Eine Anzuhörende sprach über ihre Rolle als Betreuerin einer behinderten Tochter, für die sie insbesondere im medizinischen Bereich viele Entscheidungen treffen musste. Ein anderer berichtete über die Herausforderungen der Betreuung eines psychisch schwer erkrankten erwachsenen Sohns – eine Situation in der auch die anfangs erwähnten schwierigen Fragen zur Unterbringung in einer psychiatrischen Klinik oder ärztlicher Zwangsmaßnahmen eine Rolle spielen können. Wie anders ist die Situation einer Ehefrau, die nach einem Schlaganfall ihres Mannes vorübergehend dessen finanzielle Angelegenheiten regeln muss? Oder die eines Sohnes, der die Wohnung der an Demenz erkrankten Mutter auflösen und ihren Umzug in eine Demenz-WG organisieren muss?
In all diesen Situationen muss es für Menschen möglich sein, niedrigschwellig und schnell Rat zu bekommen. Hier sind die Betreuungsvereine eine unverzichtbare Stütze für viele Betroffene. Wir haben uns nach der Anhörung im Ausschuss sehr dafür eingesetzt, die von den Betreuungsvereinen vorgebrachten Verbesserungsvorschläge für das Betreuungsausführungsgesetz umzusetzen. Durch das Einstellen von 1,5 Millionen Euro pro Jahr zusätzlich, ist es gelungen, den Schlüssel von finanzierten Vollzeitkräften von 1:120.000 auf 1:70.000 Einwohner zu verbessern. Damit wird sowohl die individuelle Beratung von ehrenamtlichen Betreuer*innen als auch die sonstige Querschnittsarbeit der Betreuungsvereine gestärkt.
Wir freuen uns über die Verbesserungen für viele Menschen in Brandenburg, die unter Betreuung stehen oder als Betreuer*innen oder Bevollmächtigte tätig sind. In den kommenden Jahren hoffen wir insbesondere darauf, dass viele Kommunen das neue Instrument des temporären Fallmanagements erproben werden. Unser Ziel ist es, dass Menschen mit Behinderung oder psychischer Erkrankung weiter in ihrem Selbstbestimmungsrecht und ihrer Teilhabe gestärkt werden.
Enden möchte ich mit einem herzlichen Dank: Sowohl an die Mitarbeitenden in den Betreuungsvereinen, als auch in Betreuungsbehörden und Betreuungsgerichten, die versuchen, die bestmöglichen Lösungen in schwierigen Lebenssituationen zu finden. Vor allem danke ich aber denjenigen, die als Betreuer*innen und Bevollmächtigte Verantwortung für ihre Mitmenschen übernehmen. Danke!