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Isabell Hiekel spricht zu: Gesetz zur Stärkung des Insektenschutzes, zum Erhalt der Artenvielfalt und der Kulturlandschaften

- Es gilt das gesprochene Wort!

Sehr geehrte Frau Vizepräsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Damen und Herren an den Bildschirmen,

Heute ist Weltbienentag! Und vielleicht ist es ein Zeichen des Herrn, dass wir gerade heute den Gesetzentwurf zur Stärkung des Insektenschutzes, zum Erhalt der Artenvielfalt und der Kulturlandschaften für das Land Brandenburg einbringen.

Dieser Gesetzentwurf geht zurück auf die Volksinitiativen der Landnutzer „Mehr als nur ein Summen – Insekten schützen, Kulturlandschaft bewahren“ und die der Umweltverbände „Artenvielfalt retten – Zukunft sichern!“, die sich im Frühjahr 2019 gleichzeitig auf den Weg gemacht haben.

Zu unterschiedlich waren zu dieser Zeit die Vorstellungen darüber, was für mehr Insektenschutz und die Artenvielfalt zu tun sei, als dass man hätte zusammenkommen können. Fast Dreiviertel der Unterzeichner*innen hatten sich für die Initiative der Umweltverbände entschieden, insgesamt ca. 100.000 Menschen haben diese beiden Volksinitiativen unterschrieben.

Das ist ein starkes Signal!

Damit verbunden sind die Erwartungen an das Landesparlament, sich mit den Vorschlägen beider Volksinitiativen ernsthaft zu befassen und diese in die Umsetzung zu bringen.

Wir haben im Umweltausschuss beide Initiativen angehört, einen extern moderierten Dialogprozess zwischen ihnen vorgeschlagen und dieses Novum in der Geschichte des Brandenburger Landtages mit Hilfe der Landtagsverwaltung durchgeführt.

In einem neunmonatigen Verhandlungsprozess, an dem neben den paritätisch vertretenen Volksinitiativen u.a. auch Vertreter*innen der Fraktionen teilnahmen, wurden die teils recht unterschiedlichen Standpunkte diskutiert, viele Argumente ausgetauscht und es wurde um Formulierungen gerungen.

Das war ein arbeitsintensiver, manchmal aufreibender und schwieriger Prozess. Aber letzten Endes gab es eine gemeinsame Vereinbarung zum sogenannten Insektendialog. Diese besteht aus einem Gesetzentwurf und einem Antrag mit 12 begleitenden Forderungen.

Am 10. März dieses Jahres wurde die gemeinsame Vereinbarung von den Vertretern der Volksinitiativen und der Koalitionsfraktionen, also außer von mir auch von Ingo Senftleben und Johannes Funke unterzeichnet und an die Präsidentin des Landtages übergeben – mit dem Versprechen unsererseits, diese Vereinbarung zügig zur Befassung in den Landtag einzubringen.

An dieser Stelle möchte ich allen Beteiligten danken. Das sind in erster Linie die Moderatoren Joachim Lück und Martin Enderle, die Mitarbeiter*innen der Landtagsverwaltung und die Referent*innen der Redaktionsgruppe. Ganz besonders hervorheben möchte ich das Engagement der Volksinitiativen und hier stellvertretend für die Landnutzerverbände Gregor Beyer und Henrik Wendorff sowie für die Umweltverbände Friedhelm Schmitz-Jersch. Sie haben für ihre Interessengruppen gekämpft. Sie waren lösungsorientiert und auch kompromissbereit. Dieser Wille hat letztendlich auch zur Verständigung und zum gemeinsamen Erfolg geführt.

Nach diesem so erfolgreichen Dialog ist es nun umso bedauerlicher, dass es im weiteren Verlauf zu unsäglichen Diskussionen über den Zeitpunkt und Form der Einbringung gekommen ist, dass die Einbringung des Gesetzentwurfes nun nicht durch die Koalitonen erfolgt, sondern einzig durch die drei am Prozess beteiligten Abgeordneten und dass der begleitende Antrag aus der Vereinbarung nur mittelbar über einen selbständigen Entschließungsantrag zur Mitverhandlung den Weg ins Parlament findet. Das hat für Unverständnis bei den Volksinitiativen gesorgt und das Vertrauen in die parlamentarische Arbeit erschüttert.

Ich persönlich würde mir bei solchen Vorgängen mehr Mut und Gestaltungswillen bei unseren Koalitionspartnern, insbesndere bei der SPD wünschen – den Mut, von dem unser Ministerpräsident in seiner Regierungserklärung im Dezember 2019 gesprochen hat.

Wir hatten die erforderlichen Beschlüsse bereits für das Aprilplenum gefasst. Wir haben es als selbstverständlich und wertschätzend gegenüber beiden Volksinitiativen empfunden, den Inhalt der Vereinbarung ohne Umschweife zur Befassung ins Parlament zu bringen.
Isabell Hiekel

Für meine Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN kann ich sagen: Wir hatten die erforderlichen Beschlüsse bereits für das Aprilplenum gefasst. Wir haben es als selbstverständlich und wertschätzend gegenüber beiden Volksinitiativen empfunden, den Inhalt der Vereinbarung ohne Umschweife zur Befassung ins Parlament zu bringen.

Trotz all der Unstimmigkeiten bin ich froh, dass wir mit den heutigen Beschlüssen die Türen für die weitere Arbeit im Umweltausschuss öffnen können – für mehr Insektenschutz, für mehr Artenvielfalt und für die Bewahrung einer lebendigen Kulturlandschaft.

Mit der Vereinbarung zwischen Landnutzern und Umweltschützern wurde der Grundstein für einen neuen Umgang mit der Natur gelegt – gemeinsam – hier in Brandenburg und beispielgebend über unsere Landesgrenzen hinweg.

Der Diskussionsprozess hat gezeigt, was möglich ist. Und zwar mehr, als alle anderen Bundesländer bisher durch Gesetzgebung oder Volksbegehren erreicht haben.

Konkret dürfen Sie sich das, passend zum Thema, als einen ganzen Blumenstrauß von Maßnahmen vorstellen: Mit der Änderung des Brandenburgischen Naturschutzausführungsgesetzes soll geregelt werden, dass Erstens: Grünanlagen der öffentlichen Hand im Sinne der biologischen Vielfalt unterhalten und gepflegt werden und die Beleuchtung der öffentlichen Infrastruktur insektenfreundlich gestaltet wird.

Zweitens soll der Einsatz von chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmitteln und mineralischen Stickstoffdünger in Naturschutzgebieten und europäischen Flora-Fauna-Habitat-Gebieten schrittweise verboten werden. Mit der Änderung des Brandenburgischen Wassergesetzes soll der Schutz von Gewässerrandstreifen umgesetzt werden. Im Gesetz zur Verwertung landeseigener Grundstücke soll eine naturverträgliche Bewirtschaftung auf land- und forstwirtschaftlichen Flächen des Landes geregelt werden.

Darüber hinaus sind weitere Forderungen aus dem Ergebnis des Insektendialogs mit zu verhandeln: So sollen Förderprogramme helfen, den Einsatz von chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmitteln und mineralischen Stickstoffdünger in den FFH-Gebieten zeitnah zu reduzieren und die Anlage von Gewässerrandstreifen zu unterstützen.

Und hierzu möchte ich betonen, dass es den am Insektendialog Beteiligten besonders wichtig, dass die Landwirtinnen und Landwirte für ihre ökologisch ausgerichteten Leistungen einen Ausgleich erhalten und dass die Gesellschaft an diesem Punkt ein Stück weit mehr zusammenrückt.

Weitere Maßnahmen betreffen die Einrichtung einer Koordinierungsstelle für Insektenschutz und -forschung, die Erweiterung der Förderung von Blüh-, Grün- und Ackerrandstreifen, die Einführung einer Weidetierprämie, die Erarbeitung einer Reduktionsstrategie für chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel, die Förderung des Ökolandbaus und Betriebsintegrierter Beratung sowie die Reduzierung des Flächenverbrauchs.

Die Landesregierung soll auch aufgefordert werden, sich im Rahmen der Verhandlungen zur GAP für eine stärkere Honorierung von Umwelt- und Klimamaßnahmen, Tierwohl, den ökologischen Landbau und die betriebsinterne Beratung einzusetzen.

Ja, das ist ein großer Strauß an Forderungen. Aber allen die hier meinen, das wäre alles nicht notwendig oder das könnten wir uns nicht leisten, kann ich nur sagen: Doch!

Die Erhaltung der Biodiversität hier in Brandenburg, in Deutschland, auf der ganzen Welt ist kein Selbstzweck.
Isabell Hiekel

Wir haben nämlich keine Alternative. Ich möchte an dieser Stelle nicht auf die vielen Studien eingehen, die den dramatischen Rückgang der Artenvielfalt und auch der Biomasse in der Insektenwelt nachweisen und die auch klar und deutlich die Ursachen für diese Entwicklung benennen.

Die Erhaltung der Biodiversität hier in Brandenburg, in Deutschland, auf der ganzen Welt ist kein Selbstzweck. Die Biodiversität ist eine unserer Lebensgrundlagen wie Wasser und Boden.

Wir müssen verantwortungsbewusst und nachhaltig mit unseren Ressourcen umgehen und auch dafür sorgen, dass die Gratisleistungen der Natur wie z.B. die Bestäubung von Blüten auch in Zukunft Bestand haben.

Ohne Biene kein Apfel, meine Damen und Herren!

Also, lassen Sie uns mit Mut und Zuversicht an die Umsetzung der Vereinbarung aus dem Insektendialog gehen – für mehr Insektenschutz, die Erhaltung der Artenvielfalt und die Bewahrung lebendiger Brandenburger Kulturlandschaften.

In diesem Sinne bitte ich um Ihre Zustimmung zur Überweisung des Gesetzentwurfes und des selbständigen Entschließungsantrages in den Umweltausschuss.

Und um es gleichvorweg zu nehmen:

Auch wenn sich unsere Fraktion aus Gründen der Koalitionsabsprachen anders verhält –

Ich werde natürlich dem Antrag der Linken und BVB/Freie Wähler zustimmen, denn er enthält das konkrete Verhandlungsergebnis des Insektendialogs. Dafür habe ich unterschrieben und dazu stehe ich auch.

Danke für die Aufmerksamkeit!