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Rede im Landtag: Haushalt 2022 - Justiz und Recht

Herr Vizepräsident!
Werte Abgeordnete!
Sehr geehrte Gäste an den Bildschirmen!

Der Haushalt ist immer die Gelegenheit, Bilanz zu ziehen ‑ das haben wir gerade gemerkt ‑, wie mit den eigenen Zielen und Ansprüchen umgegangen worden ist, und für die Opposition die Gelegenheit, abzurechnen, wenn es denn nötig ist; denn der Haushalt spricht immer die Wahrheit. Und der Haushalt ist immer die Chance, auf das nächste Jahr vorauszublicken; es ist schließlich der Haushalt für das nächste Jahr.

Sie sehen mich dieses Jahr im Bereich Justiz tatsächlich zufrieden. Das ist keine Zufriedenheit, bei der man die Hände in den Schoß legt und sich zurücklehnt, aber eine Zufriedenheit, die offenbar auch die Opposition erfasst; das sieht man an der geringen Zahl der Änderungsanträge. Das ist auch zu Recht so, denn wir haben von den großen Vorhaben in der Justiz doch einiges umgesetzt und sind ein gutes Stück vorangekommen.

Ich will gern auch die harten Maßstäbe der Opposition anlegen und habe einmal nachgeschaut, was eigentlich der Oppositionsabgeordnete Raschke in der letzten Legislaturperiode von der Landesregierung verlangt hat. Ich habe festgestellt: Es gibt so ein paar Projekte, die sich wie ein roter Faden durchziehen, und ein Projekt sticht da besonders heraus: Das Wichtigste ist - das ist von meinen Vorrednern auch schon angerissen worden -, das Vertrauen in den Rechtsstaat zu erhalten, zu stärken und - man muss es so sagen - auch eine Gerechtigkeitslücke zu schließen. Denn wie war denn die Lage noch vor wenigen Jahren - 2014, 2015, 2016? Da waren unsere Gerichte und Staatsanwaltschaften so überlastet, dass der Oppositionsabgeordnete Raschke damals Folgendes festhalten musste:

Erstens: Die großen und prominenten Fälle in Brandenburg wurden zunehmend mit Deals beendet, bei denen ein Straftäter gegen ein Geständnis einen Strafrabatt erhalten hat. Das ist ein völlig legitimes Instrument, hat damals aber besorgniserregend zugenommen.

Die Dauer der Verfahren vor den Gerichten war enorm: Der Handwerker, der vor Gericht seine Rechnung durchsetzen wollte, musste vor dem Landgericht über ein Jahr warten und dieses Jahr erst einmal wirtschaftlich durchstehen. Allein im ersten Halbjahr 2014 gab es 200 Rügen für die Gerichte, weil sie zu langsam arbeiteten, und über 50 Klagen wegen überlanger Verfahren. Besonders betroffen gemacht hat uns alle damals der Fall eines kleinen Mädchens aus Neuruppin: Es war zwei Jahre alt und kleinwüchsig, und die Eltern haben die Krankenkasse verklagt, weil der Schwerbehindertenstatus nicht gewährt wurde. Sie sind vor das Sozialgericht gezogen und haben am Ende Recht bekommen. „Am Ende“ heißt aber: wirklich sehr spät - da war das Mädchen nämlich sieben Jahre alt.

Das war damals die Lage, und Sie sehen: Gute Justiz, gute Rechtspolitik ist eben auch Sozialpolitik. Sie stärkt die Schwächsten und sorgt dafür, dass sie vor Gericht nicht anders behandelt werden als die Großen und Starken. Und ja, da sind wir gut vorangekommen.

Die damalige rot-rote Landesregierung hatte mit dem Kurswechsel begonnen und begonnen, Personal einzustellen. Kollege Eichelbaum wird sich daran erinnern: Wir waren immer fest davon überzeugt, dass das auch auf Druck der damaligen grün-schwarzen Opposition geschah, aber das sei dahingestellt.

Der Bund hat tatkräftig unterstützt und im Rahmen des Pakts für den Rechtsstaat Mittel bereitgestellt. Diesen Kurs haben wir jetzt energisch fortgesetzt; SPD, CDU und Grüne haben das mit aller Kraft gemacht. Wir haben - es ist schon betont worden; die Zahlen sind alle genannt, ich wiederhole sie nicht - ein Rekordniveau bei der Ausstattung mit Personal in der Justiz erreicht. Beim Thema Arbeitsgerichte, liebe Frau Kollegin Block, ist das Stichwort allerdings Nachwuchsstellen.

Damit haben wir wirklich die Chance erreicht, die Gerechtigkeitslücke zu schließen, die Altbestände abzubauen, die Verfahrenslaufzeiten zu senken. Die ersten Zahlen machen mich da auch schon vorsichtig optimistisch.

Schauen wir auf die Sozialgerichte: Sie hatten 2016 noch rund 32 000 Altfälle; inzwischen sind es - Stand Ende 2020 - 24 000. Das ist ein deutlicher Rückgang. Wir sehen: Es lohnt sich. Nächstes Jahr machen wir das noch. Nächstes Jahr unterstützt auch der Bund mit dem Pakt für den Rechtsstaat in Richtung Digitalisierung unser Vorhaben. Aber zur Wahrheit - da gebe ich Kollegin Block völlig recht - gehört auch: Wir können es uns auf Dauer finanziell nicht leisten, über dem Bedarf Personal zu halten. Wir werden durch Altersabgänge Personal wieder abbauen. Deswegen ist meine dringende Bitte, mein dringender Appell an die Justiz, auch wirklich die Chance zu nutzen, in den Jahren, in denen wir einen Überhang haben, die Gerechtigkeitslücke zu schließen.

Das ist das wichtigste Projekt, das wir im Haushalt abbilden. Ich habe gesagt, es ist eine Handvoll von Projekten, die wir insgesamt über die Dauer der Jahre verfolgen. Die übrigen will ich nur noch kurz erwähnen.

Das Thema Justizvollzug ist angerissen worden. Unser Anspruch als Grüne ist: Gefängnisse sind nicht dafür da, zu bestrafen, sondern zu resozialisieren. Da möchte ich besonders der Ministerin danken, dass sie dieses Prinzip trotz aller Debatten um ein Sicherheitskonzept und Schlagstöcke auch in der Coronakrise hochgehalten hat. Tatsächlich kann man das am Haushalt ablesen: Eine der Stellen, die neu geschaffen wurden, ist für die psychologische Betreuung an den Justizvollzugsanstalten. Ich möchte sagen: Das hätte man von einer schwarzen Strafrechtlerin von grüner Seite nicht erwartet. Insofern herzlichen Dank dafür!

Wir haben ein Projekt zu modernen Berufsbildern, um die Vereinbarkeit von Familie und Justiz zu stärken. Das ist nichts, was sich unbedingt im Haushalt abbilden muss, aber - es war erfreulich, es dieses Jahr schon zu erleben - der Auftakt zur Zukunftskonferenz ist angesprochen worden. Ich freue mich auf das Jahr 2022.

Darauf freue ich mich auch mit dem Blick auf das Projekt, außergerichtliche Einigungen zu stärken. Da gibt es gute Nachrichten. Die erhoffen wir uns auch, mit Rückenwind durch den Bund, zum Thema Entkriminalisierung und Ersatzfreiheitsstrafen, liebe Kollegin Block.

Spannend wird es sicherlich nächstes Jahr noch bei dem Thema, dass die Justiz mehr Autonomie bekommen soll. Da werden wir alle gemeinsam das Richtergesetz auswerten und schauen: Was hat sich bewährt? Wo können wir vorangehen? Was hat sich nicht bewährt?

Sie sehen: Zufriedenheit heißt in diesem Fall nicht, dass wir die Hände in den Schoß legen. Wir haben 2022 auch noch viel vor.

Ich bedanke mich beim Justizministerium. Ich bedanke mich bei allen Kolleginnen und Kollegen von Oppositions- wie Koalitionsfraktionen, und besonders bedanke ich mich - damit möchte ich schließen - bei allen Mitarbeitenden in der Justiz, die in diesem Jahr unter Coronabedingungen besonders zu leiden hatten und eine besonders tolle Arbeit gemacht haben. In diesem Sinne herzlichen Dank Ihnen allen!

Ich bitte um Zustimmung zu unserem Haushalt.