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Rede im Landtag: Haushalt 2023/2024 des Ministerium des Innern und für Kommunales

- Es gilt das gesprochene Wort!

Sehr geehrte Frau Präsidentin, werte Abgeordnete, liebe Gäste, was es bedeutet, in Sicherheit zu leben, das ist in diesem Jahr durch den verbrecherischen Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine mit voller Wucht präsent geworden: Die Bedeutung einer funktionierenden Infrastruktur, und wie wichtig es ist, diese besser als bisher abzusichern. Die Bedeutung eines funktionierenden Rechtsstaates, der das Recht auf freie Meinungsäußerung und die Versammlungsfreiheit schützt und der ohne Ansehen der Person für Jeden und Jede gleichermaßen da ist. Dieser Anspruch muss Leitlinie unserer Innenpolitik sein.

Die Aufgaben, die die Polizei in einer von politischer Polarisierung und wirtschaftlichen Umbrüchen geprägten Gesellschaft hat, werden komplexer und schwieriger. Es ist nicht Aufgabe der Polizei, gesellschaftliche Konflikte zu lösen, aber sie ist zwangsläufig mit den Auswirkungen dieser Konflikte konfrontiert und muss mit ihnen umgehen. Das kann nur gelingen mit ausreichend Polizistinnen und Polizisten, guter, andauernder Ausbildung und vernünftiger Ausstattung. Daher gehen wir weiter auf dem Weg zu 8.500 Polizistinnen und Polizisten im Land. Denn in allererster Linie sind es die Menschen, die zur Sicher¬heit in unserem Land beitragen.

Ein weiterer Baustein guter Polizeiarbeit wird die Polizeibeauftragtenstelle sein, für die wir im Einzelplan 1 die finanziellen Voraussetzungen schaffen und am Freitag über den Gesetzentwurf beschließen. Damit ebnen wir den Weg, durch einen unabhängigen Blick von außen den Umgang mit Konflikten auf eine qualitativ neue Stufe zu heben und damit auch das Verhältnis von Bürgerschaft und Polizei zu stärken.

Meine Damen und Herren, natürlich wollen und werden wir bei größeren Waldbränden die Kommunen nicht im Stich lassen. Das ist in der Vergangenheit nicht passiert und wird auch in Zukunft nicht so sein. Der dazu im Haushalt vorgesehene Ansatz wird aber immer eine fiktive Zahl sein, ob nun eine Million oder eine Null im Haushalt steht: wir wissen nicht was kommt. Daher werden wir die Anträge der Freien Wähler ablehnen, die eine fiktive Zahl durch eine andere zu ersetzen. Was wichtig ist, ist doch: Die Kommunen können sich auf das Wort der Koalition verlassen. Im Bedarfsfall stehen wir ihnen zur Seite.

Aus dem Waldbrandgeschehen der vergangenen Jahre ist viel gelernt worden und so manche Beschaffung ist erfolgt. Im Einzelplan 3 lässt sich an vielen Stellen erahnen, was es uns kostet, mit dem ja bereits stattfindenden Klimawandel einigermaßen Schritt zu halten und die Gefahrenabwehr anzupassen.

Ein gutes Beispiel dafür ist der von der Koalition zusätzlich aufge-nommene Ansatz von einer Million Euro für die Absuche von Waldwegen nach Kampfmitteln. Damit leisten wir einen Beitrag, damit Waldgebiete im Brandfall von unseren Feuerwehren überhaupt befahren werden können und eine effektive Brandbekämpfung erst möglich wird.

Als Abgeordneter aus Oranienburg ist es mir besonders wichtig, dass es gelungen ist, die Ansätze für die Kampfmittelräumung im ganzen Land auf dem Niveau des Vorjahres zu halten und somit die Bombensuche mit der gleichen hohen Intensität fortzuführen. Noch mehr als 200 Bomben mit den tückischen Langzeitzündern werden bei uns im Boden vermutet, hier darf es kein Nachlassen der Bemühungen geben.

Meine Damen und Herren, als Informatiker sage ich ganz deutlich, dass ich mit dem Stand der Digitalisierung nicht zufrieden bin. Sie alle wissen, dass in wenigen Tagen die Frist ausläuft, die das Onlinezugangsgesetz dem Staat für die Digitalisierung der Verwaltungsleistungen gesetzt hat. Sie alle wissen ebenso, dass diese Frist weit verfehlt wurde. Dennoch konnten wir trotz Krisenzeit einige wichtige Impulse geben. Besonders liegt mir dabei das Thema Open Data am Herzen, weil damit zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen werden.

Denn ein guter Überblick darüber, welche Daten wo und in welcher Form vorhanden sind, ist sowohl für Transparenz nach außen als auch für solide Digitalisierung nach innen essenziell. Deshalb freut es mich, dass der Datenadler fortan den Kommunen als IT Basiskomponente kostenlos zur Nutzung angeboten wird.

Vor besonderen Herausforderungen bei der Digitalisierung stehen die Kommunen, hier konnten wir bspw. 350.000 EUR zusätzliche Mittel gegenüber dem HH-Entwurf für die Kommunalredaktion des BUS-BB ermöglichen. Damit helfen wir auch den Kommunen, digitalisierte Verwaltungsleistungen zu den Bürgerinnen und Bürgern zu bringen. Der Zweckverband Digitalte Kommunen Brandenburg- der DIKOM - ist für mich ein Musterbeispiel, wie Kommunen gemeinsam Lösungen finden und tragfähige Strukturen aufbauen können, deshalb unterstützen wir ihn auch aus dem Landeshaushalt.

Meine Damen und Herren, das letzte wichtige Thema im Einzelplan 3 ist das Thema Asyl und Migration. Das Recht auf Asyl ist ein grundlegendes Menschenrecht. Die recht-liche Ausgestaltung liegt bei der Bundesebene, aber es ist unsere Verantwortung hier auf Landesebene, bei der Umsetzung des Bundes-rechts menschenwürdige Bedingungen zu sichern.

Ein Beitrag dazu ist die unabhängige Asylverfahrensberatung. Hier gilt die Vereinbarung aus dem Koalitionsvertrag, dass die unabhängige Geflüchtetenberatung in Brandenburg mindestens in gleichem Umfang weitergeführt wird. Das haben wir mit unserem Änderungsantrag im Haushalt klargestellt.

Das mit Abstand schwierigste Thema in Bereich Asyl ist allerdings das sogenannte Behördenzentrum am BER. Der Haushalt beschreibt das Projekt eines Ein- und Ausreisezentrums nur abstrakt. Doch ginge es nur um einen Ersatz für das, von den Bedingungen für Betroffene nicht angemessene Bestandsgebäude, ggf. mit einer moderaten Anpassung an nachgewiesene Bedarfe, dann hätten wir diese Debatte nicht. So debattieren wir aber über die konkreten im AIK vorgestellten Pläne mit einem konkreten Investor und der bekannten Historie. Auch nach vielen Ausschussbefassungen und Akteneinsicht stehen erhebliche Fragen zu diesem Projekt im Raum.

Auch wenn nach wie vor klar ist, dass keine Abschiebehafteinrichtung gebaut wird, stand von Anfang an die Frage der geplanten Kapazitäten für Flughafenasylverfahren und Ausreisegewahrsam im Mittelpunkt der Debatte. Diese übersteigen das bisherige um ein Vielfaches; und das, obwohl auch diese schon kaum ausgelastet waren und immer noch nicht schlüssig erklärt wurde, wo der zukünftige Bedarf herkommen soll.

Wir haben einen Fach- und Arbeitskräftemangel in Deutschland, der mit baldigen Renteneintrittswellen nur heftiger wird. Wir brauchen jeden Menschen, der bei uns bleiben, hier arbeiten und an der Gesellschaft mitwirken möchte. Die Bundesregierung hat das zum Glück erkannt und mit dem Chancen-Aufenthaltsrecht endlich eine migrationspolitische Wende eingeleitet, die vielen Menschen erstmalig die Möglichkeit gibt, sich hier ein sicheres Leben aufzubauen und zum Wohlstand unserer Gesellschaft beizutragen.

Auf der anderen Seite ist jede Abschiebeinitiative bisher an den juristischen Hürden unseres an den Menschenrechten orientierten Rechtsstaates und an Verwaltungsfragen wie der Passersatz-beschaffung gescheitert, nicht an den Kapazitäten am BER. Wie sollen diese teuer zu bezahlenden zukünftigen Kapazitäten tatsächlich gebraucht werden?

Und auch die vergaberechtlichen Fragen stehen weiterhin im Raum und werden lauter. Die Festlegung auf ein bestimmtes Grundstück, einen bestimmten Investor und ein Vermieter-Mieter-Modell, das dem Land nur Nachteile bringt, sind für mich nicht zu erklären.

Diese Vorabentscheidungen auf sehr dünner Aktenlage sind bis heute nicht nachvollziehbar. Es ist nicht ersichtlich, dass Alternativen ernsthaft geprüft wurden, bevor mit dem Verweis auf mangelnde Alternativen auf eine Ausschreibung verzichtet wurde. Spätestens durch das leerstehende Terminal 5 am BER ist inzwischen aber eine klare Alternative ersichtlich, die einen Bau in eigener Trägerschaft entweder durch Nachnutzung des Terminals oder durch einen Neubau auf dem Gelände ermöglichen würde.

Angesichts dieser bekannten Faktenlage kann ich nicht verstehen, dass die Abgeordneten der SPD-Fraktion und der CDU-Fraktion nicht bereit waren, gemeinsam diesen Haushaltsentwurf zu überarbeiten – zumindest durch eine Qualifizierung des Sperrvermerkes.

Meine Damen und Herren, ich bin ziemlich erschüttert, dass trotz aller bekannter Bedenken - bei denen es nicht primär um ideologische Unterschiede zwischen uns Bündnisgrünen und SPD oder CDU geht, sondern um verantwortungsvollen Umgang mit den uns anvertrauten Steuergeldern – dass trotz dieser Bedenken die Koalitionspartner dieses Projekt durch die Verknüpfung mit dem Haushalt zu einer Frage des Weiter¬bestehens der Koalition gemacht haben.

Ureigene Aufgabe der Politik ist es, Alternativen sorgfältig zu prüfen und die Ausgaben auf das Notwendigste zu beschränken. Mit dem Vabanque-Spiel über den Landeshaushalt verhindern SPD und CDU genau das. Die verbleibende Alternative ist, dass entweder der Landtag den Geldern vollumfänglich zustimmt oder aber dass die Regierung zerbricht und ihre Bürger im Stich lässt.

Meine Damen und Herren, wir Bündnisgrüne werden an dieser Frage in einer Situation, in der Menschen wie selten zuvor auf Stabilität und Sicherheit angewiesen sind, nicht die Koalition beenden. Wir werden diesem Haushalt zustimmen, der mit erheblichem Aufwand sicherstellt, dass Brandenburg so gut wie es nur geht durch die multiplen Krisen kommt.

Mit der Haushaltsaufstellung ist die Diskussion um dieses Projekt aber nicht beendet. Die Gelder für das Behördenzentrum sind gesperrt. Innenminister Stübgen und Finanzministerin Lange stehen für eine rechtmäßige Mittelverwendung, für die Wahl der wirtschaftlichsten Alternative und für die Einhaltung aller Ausschreibungs- und Vergaberegelungen persönlich in der Verantwortung.

Wir erwarten, dass die Regierung nicht ein Projekt in Auftrag gibt, dass später die Gerichte oder einen Untersuchungsausschuss beschäftigen muss. Und deshalb erwarten wir, dass den rechtlichen und fiskalischen Fragen, die in dieser Debatte aufgeworfen wurden, vollumfänglich Rechnung getragen und Transparenz über die Entscheidungen hergestellt wird. Denn wir erwarten von allen Mitgliedern der Koalition, das Wohl-ergehen des Landes an die erste Stelle zu setzen. Vielen Dank

Weiterführende Informationen

Rede zu: Gesetzentwurf "Haushaltsberatungen 2023/2024" (TOP 1 der 77. Plenarsitzung)