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Heiner Klemp spricht zu diversen Anträgen zur Stützung der Wirtschaft

- Es gilt das gesprochene Wort!

Frau Präsidentin,
werte Abgeordnete,
meine Damen und Herren,

in einem nie dagewesenen Ausmaß ist die Brandenburger Wirtschaft von den Folgen der Corona-Pandemie betroffen. Die Krise flacht zwar ab, die Unternehmen und ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden die Auswirkungen jedoch noch über das Jahr 2020 hinaus spüren.

Deswegen brauchen sie dringend Unterstützung für einen Neustart!

So, und nun diskutieren wir in diesem Tagesordnungspunkt vier Anträge, die doch recht unterschiedlich sind.

Immerhin haben sie sich, sehr geehrte AfD, Anfang der Woche noch zu einem Neudruck hinreißen lassen und damit nicht nur Punkte entfernt, die nicht mehr relevant sind, sondern auch solche, die noch nie gestimmt haben, z.B. herbeiphantasierte Verbote für Produktionsbetriebe aufzuheben.

Was bleibt? Von ursprünglich 7 Punkten sind 3 übriggeblieben und einer dazu gekommen, 2 richten sich an die Bundesebene, der Rest ist erledigt, kontraproduktiv oder so allgemein, dass man wenig dazu sagen kann.

Der Antrag der BVB/Freie Wähler verläuft sich leider auch meist im Unklaren. Sie fordern beispielsweise "Erleichterungen bei der Beantragung von bestehenden Förderprogrammen, bspw. durch eine schnelle Bewilligung im beschleunigten Prüfverfahren". Ich meine, wer wollte das nicht? Aber andersherum: Was heißt das jetzt konkret?

Auch die Linken haben sich der Mühe eines Neudrucks unterzogen. Ich frage mich nur, warum Sie den Antrag dann nicht auch inhaltlich aktualisiert haben. Es sei denn sie wollten uns gerne einen Antrag vorlegen, der einfach immer das Doppelte von dem fordert, was bisher beschlossen wurde. Als Opposition kann man das natürlich tun.

Beispiel: Kommunaler Rettungsschirm. Im Einvernehmen mit den kommunalen Spitzenverbänden beschlossen. Die Kommunen sind zufrieden, Sie sagen: Nicht ausreichend. Kann man machen. Muss man aber nicht.

Oder der Tourismus und die Gastronomie. Ich habe mich am Montag mit dem Geschäftsführer des Tourismusverbandes Brandenburgische Seenplatte unterhalten. Ja, es ist ein schweres Jahr für die Branche, keine Frage. Aber man blickt vorsichtig optimistisch in die Zukunft. Das waren die Worte. Es darf nur keine zweite Welle mit neuen Einschränkungen kommen. Das Thema finanzieller Unterstützung hatte keine große Priorität.

Natürlich gibt es nach wie vor Herausforderungen. Dies wird auch seitens des Bundes so gesehen. Die Eckpunkte des Konjunkturpakets des Bundes umfassen Maßnahmen im Volumen von insgesamt rund 130 Milliarden Euro, also das 10-Fache des gesamten Brandenburger Landeshaushalts. Das Paket soll der Wirtschaft bundesweit einen kräftigen Schub geben, sozialen Zusammenhalt stärken und Deutschland ökologisch voranbringen.

Was ist konkret für Unternehmen im Konjunkturpaket enthalten? Es zielt vor allem auf eine Verbesserung der Liquidität ab. Es wird ein Anschlussprogramm zur Soforthilfe geben und auch eine Mehrwertsteuersenkung bis zum Ende des Jahres. Zudem werden die EEG-Umlage und die Sozialversicherungsbeiträge stabilisiert. Auch die betriebliche Ausbildung wird gestärkt. Das alles sind gute und sinnvolle Maßnahmen. Leider ist es aber auch nur ein "Weiter so!"

Zugegeben: Gemessen an früheren Konjunkturprogrammen ist dieses Paket ein Fortschritt. Gemessen an den Herausforderungen, vor denen wir stehen, springt es jedoch zu kurz. Die kurzfristigen Maßnahmen sind sicher hilfreich und werden ihren Effekt zeigen. Langfristige Anreize für eine echte Transformation der Wirtschaft bleiben dafür aus.

Die finanzielle Verträglichkeit der Maßnahmen wurde genauestens geprüft. Die Auswirkungen auf den Emissionshaushalt fehlen. Klimacheck für Investitionen mit öffentlichem Geld: Von wegen! CO2‑Fußabdruck des Konjunkturpakets: Fehlanzeige! Aber genau das wäre eigentlich fair, denn heutige Klimaschutzinvestitionen hinterlassen dauerhaft niedrige Energie- und Klimafolgekosten anstelle eines weiter wachsenden Schuldenbergs für unsere Kinder und Enkelkinder.

Es gibt viele Gewinner im Konjunkturpaket, doch auch einige Verlierer, z. B. die Solo-Selbstständigen. Ihnen fehlt es an konkreten passgenauen Hilfen. Das Paket deckt wieder keine Lebenserhaltungs­kosten ab, sondern berücksichtigt lediglich Betriebskosten. Der Bund bleibt also bei seiner Zweiteilung: der Soforthilfe für die betriebliche und der Grundsicherung für die persönliche Existenz.

Zudem setzt das Paket des Bundes noch eins oben drauf: Jedes Unternehmen benötigt als Eintrittskarte für die Überbrückungshilfen einen Bescheid von der Steuerberatung oder Wirtschaftsprüfung.
In Klammern: Diese Berufsgruppen werden wohl nicht unter Umsatzausfällen leiden müssen.
Das trifft jedoch nicht die Realität vieler Selbstständiger und Kultur­schaffender, die von zu Hause arbeiten.

Hier müssen wir als Land nachsteuern. Wir brauchen einen Neustart für die gesamte Brandenburger Wirtschaft und nicht nur für die Großen.

Wir sind in Brandenburg sprichwörtlich mit einem blauen Auge davongekommen. Wir konnten Schlimmeres verhindern, weil wir schnell waren, weil wir konsequent waren. Nie kamen wir in die Lage, die Wirtschaft insgesamt stilllegen zu müssen. Komplettausfälle wie in Spanien oder Italien blieben uns erspart.

Dennoch müssen wir weiterhin Unterstützung für die noch Betroffenen anbieten, sonst bricht uns weg, was in den letzten 30 Jahren mühevoll von den Menschen aufgebaut worden ist.

Dafür werden wir die Maßnahmen des Bundes flankieren und ergänzen. Wir werden bestehende Programme, z.B. für Kulturschaffende und gemeinnützige Einrichtungen evaluieren und setzen uns für zusätzliche Hilfen für Solo-Selbstständige ein. Zeitlich preschen wir dieses Mal nicht vor, sondern werden nach Vorliegen der abschließenden Regularien des Bundes unsere Richtlinien erarbeiten.

Daher öffnen wir nicht nur, sondern unterstützen weiter, wo es gebraucht wird - zum Beispiel bei den Kinos und Festivals.

Vielen Dank.