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Heiner Klemp spricht zu: Lieferkettengesetzgebung schadet brandenburgischen Unternehmen

- Es gilt das gesprochene Wort!

Sehr geehrte Frau Präsidentin, werte Abgeordnete, liebe Gäste,

ich liebe Schokolade. Sie auch?

Vielleicht mag ich Schokolade mehr, als für mich gesund ist. Aber wenn ich erst mal angefangen habe, kann ich kaum noch aufhören.

Ungesund ist die Schokolade aber nicht hauptsächlich für mich, sondern vor allem für Kofi. Kofi ist 13 Jahre alt. Er lebt in der Elfenbeinküste und pflückt den Kakao, aus dem internationale Konzerne dann meine Schokolade herstellen. Sein Kollege Salif ist sogar noch jünger. Er wurde als Kindersklave aus Mali verschleppt und muss auch auf den Plantagen arbeiten.

Kofi sollte eigentlich in die Schule und Salif nach Hause gehen, aber die Armut ist so groß, dass sie keine andere Wahl haben, als zu arbeiten.

Zwar sind gemäß den Konventionen 138 und 182 der Internationalen Arbeitsorganisation alle Formen von Zwangsarbeit und Kinder­sklaverei verboten und auch alle Formen von Arbeit, die sich schädlich auf die Sicherheit oder die körperliche und seelische Gesundheit von Kindern auswirken können. Aber das gilt in der Not der Armut und auf den Plantagen nicht viel.

Deshalb muss es uns auch in Deutschland, auch in Brandenburg umtreiben, wie z. B. die Kinderrechte global gesichert werden können. Sich wie die AfD darauf zurückzuziehen, die nationalen Regierungen – hier die der Elfenbeinküste – seien quasi selbst schuld, verkennt die Machtverhältnisse im internationalen Handel.

Dementsprechend muss ein Teil der Verantwortung auch den Industrie­ländern zugewiesen werden, weshalb der Bundestag am 11. Juni 2021 das sogenannte Lieferkettengesetz verabschiedet hat.

Die AfD schlägt als Alternative zum Lieferkettengesetz vor, Entwicklungs­ländern bei Nicht-Einhaltung von Standards Gelder zu streichen. Im Ergebnis würde man den ökonomischen Druck auf diese Länder weiter erhöhen und so erst Recht der Verletzung von sozialen, ökologischen und menschenrechtlichen Standards Vorschub leisten.

Auch bringt die AfD Sanktionen ins Spiel, die sie für die Menschen­rechtsverletzungen in Russland hier im Landtag immer wieder bekämpft. Sie führt als Beispiel an, ein kleines thüringisches Unternehmen könne Rohstoffe nur aus Peru beziehen, aber die Menschenrechtslage dort könne es nicht überprüfen.

Und nun sollen also nach Lesart der AfD staatliche Sanktionen dieses Problem lösen? Damit das Unternehmen dann gar keine Rohstoffe mehr aus dem betreffenden Land beziehen kann? Das würde dem Unternehmen überhaupt nicht helfen – ganz im Gegenteil. Hier zeigt sich wieder einmal, wie widersprüchlich die Argumentation der AfD ist.

Überhaupt wüsste ich einmal gerne, wo Sie diesen Antrag wieder herkopiert haben. Aus Brandenburg scheint er nicht zu stammen, schließlich verweisen alle Beispiele und Zitate auf Kammern und Unternehmen außerhalb Brandenburgs. Vielleicht kennen Sie sich ja in Brandenburg auch einfach nicht so gut aus.

Und es ist bemerkenswert, dass Sie sich bei den IHKen auf eine Stellungnahme beziehen, die ein Jahr vor der Verabschiedung des Gesetzes entstanden ist und die auf die Endfassung des Lieferketten­gesetzes gar nicht mehr zutrifft.

Wir sehen also: Der Antrag hat die gewohnte Qualität von AfD-Anträgen. Schade, dass Sie uns mit derart unqualifizierten Vorstößen hier immer wieder die Zeit stehlen.

Natürlich kann man treffend über das Lieferkettengesetz streiten. Nicht nur wir Grünen hätten uns ein schärferes Gesetz gewünscht, das z. B. Umweltrisiken noch stärker in den Blick nimmt. Das galt auch für Teile der Bundesregierung, der Konflikt ging ja interessanter­weise quer durch die Parteien.

Nun gibt es erst einmal ein Gesetz - ein wichtiger erster Schritt. Das muss nun zur Anwendung kommen und evaluiert werden.

Den Bedenken der Wirtschaft zum Aufbau von Bürokratie wurde insofern Rechnung getragen, dass kompensierende Erleichterungen durch das „Dritte Bürokratieentlastungs­gesetz“ umgesetzt wurden.

Ich begrüße ausdrücklich, dass auch auf EU-Ebene auf Druck des EU-Parlaments Regelungen geschaffen werden sollen. Bereits im Oktober 2021 will die EU-Kommission einen Legislativvorschlag zu Sorgfaltspflichten zum Schutz von Menschenrechten und der Umwelt in Lieferketten vorlegen. Schließlich gibt es in anderen Ländern, wie den USA, Großbritannien und Frankreich bereits Gesetze, die sich mit der Einhaltung menschenrechtlicher Standards befassen.

Die EU-Kommission reagiert mit ihrer gesetzgeberischen Initiative auf eine Studie, die nachweist, dass nur jedes dritte Unternehmen in der EU seine globalen Lieferketten hinsichtlich Menschenrechten und Umweltauswirkungen sorgfältig überprüft, in Deutschland sind es nach einer Studie der Bundesregierung nur alarmierende 13-17%.

Wenn sich die AfD nun gegen einheitliche Maßnahmen in der EU positioniert, schadet sie der deutschen Wirtschaft. Das sieht auch der Bundesverband der deutschen Industrie so und zieht europäische Regelungen nationalstaatlichen Bestimmungen vor. In den Gesetzen sei vielmehr genau zu definieren, „was Unternehmen im Rahmen der Sorgfaltspflichten konkret zu tun haben“. Das erfüllt die deutsche gesetzliche Regelung heute schon.

Im Übrigen normiert das Lieferkettengesetz lediglich eine „Bemühenspflicht“, aber weder eine Erfolgspflicht noch eine Garantiehaftung. Das mag man begrüßen oder bedauern, aber Fakt ist: Es darf uns nicht egal sein, auf wessen Knochen unser Wohlstand geht – leider im wahrsten Sinne des Wortes.

Ich will weiter Schokolade essen, aber Kofi soll in die Schule gehen dürfen und nicht auf der Plantage arbeiten müssen. Salif gehört nach Hause zu seiner Familie in Mali.

Den Antrag der AfD-Fraktion werden wir selbstverständlich ablehnen.

Vielen Dank