- Es gilt das gesprochene Wort!
Sehr geehrte Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen, liebe Mitmenschen in Brandenburg,
es herrscht Mangel. In so gut wie allen Berufen, die wir so dringend brauchen. Bei den Handwerkern, in den Kitas und Schulen, in der Gastronomie, in der Pflege, im Krankenhaus – in den Hausarztpraxen. Gnadenlos überall, wo wir Menschen brauchen, damit unser aller Leben lebenswert und gut sein kann.
So, und was nun? Gegen manche Gründe für den Mangel, der schon da ist oder doch heftig an die Türen klopft, sind wir alle machtlos. Stichwort Babyboomer, die sich jetzt absehbar und verdientermaßen in die Rente verabschieden. Bei den Hausärztinnen und Hausärzten in Brandenburg steht völlig korrekt im Antrag der LINKE, dass etwa 37 Prozent von ihnen älter als 60 sind. Und eine sehr große Gruppe ist nicht so wesentlich jünger. Es wird also problematisch. Es IST mancherorts schon problematisch.
Und also suchen alle überall nach Ideen. Und ja, Geld kann dabei eine hilfreiche Rolle spielen. Im konkreten Fall geht es um das Landärztestipendium. Es wird gefordert, dass wieder 50 Studierende pro Semester ein solches Stipendium des Landes bekommen sollen. Momentan sind es nur 9 pro Semester. Ich finde dennoch, wir sollten einmal durchrechnen. Ein Studierender bekommt im günstigsten Fall 1000 Euro pro Monat für längstens 75 Monate. Das macht summa summarum 75000 pro Nase. Das einmal hochgerechnet auf inzwischen 190 Studierende ergibt im Verlauf der gesamten Laufzeit 14 Millionen Euro. Ja, ich weiß, nicht alle bekommen die gesamte Summe für die gesamte Zeit, manche bekommen 500 Euro, manche hatten, als die das erste Mal dieses Stipendium bekamen, schon ein paar Semester hinter sich. Dennoch, wir reden hier schon jetzt von gigantischen Summen. Bei der Vergabe von 50 Stipendien pro Semester könnten gleichzeitig bis zu 650 Studierende im Stipendienprogramm sein – dann würden die Kosten bei 7,8 Millionen Euro liegen - pro Jahr. Und es ist noch nicht entschieden, ob die Rechnung am Ende wirklich aufgeht. Ein Gutachten des Bundesgesundheitsministeriums geht davon aus, dass die Steuerungswirkung solcher Stipendienprogramme begrenzt ist. Denn eine Rückzahlung der erhaltenen Stipendiensumme ist vor dem Hintergrund der Verdienstmöglichkeiten von Ärzt*innen durchaus machbar. Eine Evaluierung Brandenburger Programms wäre sicher hilfreich. Allerdings, was soll die bereits 2023, wenn doch die ersten Stipendienempfänger frühestens 2025 fertig sind, wie Sie selbst schreiben. Festzuhalten ist auf jeden Fall, dass alle die, die bereits ein Stipendium erhalten, es weiter bekommen. Es wird niemandem weggenommen, was einmal zugesagt war.
Es ist eine etwas zu einfache Rechnung, die Sie aufmachen in ihrem Antrag indem Sie praktisch sagen: wenn wir nur hinreichend viele Studierende mit Stipendien versehen, werden die alle danach Hausarztpraxen in Brandenburg übernehmen und das Problem wäre gelöst. Manche machen das vielleicht, andere aber sicher auch nicht. Die MHB hat durchaus Erfolg damit, sehr früh die Studierenden in den ärztlichen Alltag, an die Patientinnen und Patienten zu bringen. Von den ersten Jahrgängen sind tatsächlich etwa zwei Drittel als Ärztinnen und Ärzte in Brandenburg tätig. Was auch damit zu tun hat, dass sehr früh, eigentlich von Anfang an, Bindungen aufgebaut werden. Zu Kliniken und der Region. Wenn die Facharztausbildung hier möglich ist, bleiben wirklich viele. Vielleicht nur zunächst, was durchaus damit zu tun hat, dass man so Studiengebühren dramatisch minimieren kann. Vielleicht aber auch für sehr lange.
An derselben Hochschule hat es ein Projekt gegeben, finanziert durch das Bundesprogramm Integration durch Qualifizierung. Eingesetzt wurden 350 000 Euro. Damit wurden knapp 30 Medizinerinnen und Mediziner zur Kenntnisprüfung geführt und die meisten haben bestanden und sind nun ganz wesentlich in Brandenburg tätig. An Kliniken vor allem.
Nicht dass Sie mich falsch verstehen, ich finde, es muss intensiv über Unterstützungen nachgedacht werden, wir brauchen Ideen. In den Ländern, die über eine eigene Medizinerausbildung verfügen, hat man sich zu einer Landärztequote entschieden. Also das zur Verfügung stellen eines bestimmten Anteils an Studienplätzen für die, die sich für 5 bis 10 Jahre verpflichten, in unterversorgten Regionen zu arbeiten. Diese Variante haben wir nicht. Noch nicht vielleicht.
Was mir aber sehr deutlich wurde nach einem Gespräch kürzlich bei der Kassenärztlichen Vereinigung: Geld wird unser Problem nicht lösen. Es geht um gute, gleichwertige Lebensverhältnisse im Ländlichen Raum. Es geht um gute Verkehrsanbindung, öffentlichen Nahverkehr, gute Kitas und Schulen für die Kinder, neue Modelle der ärztlichen Versorgung mit Hausärzt*innen – viele wollen eben nicht mehr Alleinunterhalter sein, immer ansprechbar, immer im Dienst. Viele, vor allem junge ÄrztINNEN, würden gern im Angestelltenverhältnis arbeiten.
Es muss uns mehr einfallen, als immer nur die Profession zu sehen, die Hausarztpraxis allein, die zu verwaisen droht. Wir müssen verstehen, dass sich viel verändert hat in der Vorstellung, wie die junge Frau Doktor, vielleicht alleinerziehend, zwei Kinder, ihren Lebensalltag organisieren möchte und kann. Was auf den jungen Herrn Doktor auch zutrifft. Dann haben wir vielleicht eine echte Chance, Nachfolger*innen zu finden, die so dringend gebraucht werden. Die Ausdehnung des Stipendiums ist, wie Sie auch wissen liebe Kolleginnen der LINKE, nicht mal eben so finanzierbar und nicht die Lösung. Den Antrag bitte ich abzulehnen.