Herr Vizepräsident! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Liebe Gäste! Um es gleich vorab zu sagen: Das derzeitige Verfahren bei TiSA, CETA oder TTIP ist eine Farce.
(Beifall B90/GRÜNE und AfD)
Weder das EU-Parlament noch die nationalen Parlamente können wirksam in den Prozess eingreifen. Die nationalen Parlamente bekommen am Ende die Vertragstexte vorgelegt und können sie nur als Gesamtpaket durchwinken oder ablehnen. Das heißt: Friss oder stirb! Das ist ein völlig unmögliches Verfahren. Frau Münch, es ist falsch, dass die Abgeordneten alle Dokumente einsehen können. Vielleicht nehmen Sie unsere Ausschussreise diesbezüglich als Bildungsurlaub.
(Lachen und Beifall bei der AfD)
Umso erfreulicher ist es, dass sich auf den verschiedensten Ebenen mehr und mehr Widerstand bildet - durch bürgerschaftliches Engagement, mit zahllosen Demonstrationen und Petitionen oder auf regionaler Ebene mit immer mehr Resolutionen und Beschlüssen, wofür ich hier noch einmal ausdrücklich den beteiligten Akteuren in den Kommunen danken will.
(Beifall B90/GRÜNE, AfD und der Abgeordneten Kaiser [DIE LINKE])
Aber auch der Landtag hat sich auf unsere Initiative hin bereits im Sommer des letzten Jahres mit dem Thema TTIP in aller Breite auseinandergesetzt und dann mit großer Mehrheit einen fraktionsübergreifenden Beschluss gefasst. Die Landesregierung sollte sich dafür einsetzen, erstens das Verfahren transparent zu gestalten, zweitens die europäischen Standards zu erhalten, drittens Umfang und Qualität der öffentlichen Daseinsvorsorge nicht zu gefährden, viertens die Entscheidungsrechte von Parlamenten der EU-Mitgliedsstaaten und deren Regionen nicht einzuschränken sowie fünftens den geplanten Streitbeilegungsmechanismus zu verhindern. Wenn ich mich recht erinnere, hat diesem Antrag auch die SPD-Fraktion zugestimmt.
(Einzelbeifall bei der AfD)
Ein guter Beschluss, der den uns nun vorliegenden Antrag, in welchem es ausschließlich um Punkt 1 - die Transparenz - geht, absolut entbehrlich macht.
(Beifall B90/GRÜNE)
Es stellen sich in Bezug auf unseren letzten Beschluss allerdings zwei Fragen. Erstens: Was hat die Landesregierung bis heute konkret unternommen, um unseren Aufforderungen Folge zu leisten, beispielsweise um den Mechanismus zu verhindern, über den private Investoren Nationalstaaten vor Schiedsstellen auf Schadenersatz verklagen können? Auch von unserem Ministerpräsidenten war diesbezüglich wenig zu hören.
Pünktlich zur Grünen Woche spricht er sich natürlich für die Rettung der Spreewälder Gurke aus. Scharfe Worte gegen den Streitbeilegungsmechanismus habe ich allerdings vermisst.
(Beifall B90/GRÜNE sowie vereinzelt AfD)
Dabei wäre es gerade interessant zu erfahren, wie der Ministerpräsident Dietmar Woidke sich hierzu als Mitglied des SPDBundesvorstands verhält. Haben Sie beispielsweise auch bei den Auseinandersetzungen mit Ihrem Bundeswirtschaftsminister entsprechend Position bezogen? Und falls ja, mit welchem Ergebnis? Man sagt ja immer so schön: Tue Gutes und rede darüber! In diesem Fall wäre es tatsächlich auch wegen der Symbolwirkung dringend geboten.
Auch die Kritik innerhalb der SPD entzündet sich insbesondere an den Verträgen zwischen Staaten, die Rechte von Investoren im jeweils anderen Staat festlegen und von Investoren dazu benutzt werden, Regierungen zu verklagen, wenn sie durch Änderungen in der Politik - zum Beispiel beim Umwelt- oder Gesundheitsschutz - ihre Gewinne geschmälert sehen.
Ende 2013 gab es weltweit mehr als 3 000 Investitionsschutzabkommen, die zu einer Welle von Klagen vor internationalen Schiedsgerichten geführt haben, mit erheblichen finanziellen Risiken auch für Bundesländer und Kommunen. Die bislang auch von ihrem Parteifreund Gabriel gewünschten Investitionsschutzklauseln in den derzeit diskutierten Abkommen gefährden also nicht nur die politischen Spielräume dieses Landtags, sie würden auch erhebliche personelle und finanzielle Ressourcen des Landes binden. Wir sollten daher alles in unserer Macht Stehende unternehmen, um diese Klauseln zu verhindern.
(Beifall B90/GRÜNE und AfD)
Die zweite Frage, die sich mir stellt, hat ihren Ursprung in einer Äußerung des Justizministers Markov in der letzten Ausschusssitzung. Er erwähnte im Zusammenhang mit unserem Beschluss aus der letzten Legislaturperiode das Diskontinuitätsprinzip und stellt damit infrage, ob sich auch die jetzige Landesregierung an diese Forderung gebunden fühlt. Ich finde es sehr enttäuschend - zudem es ja keinen Wechsel der Regierungszusammensetzung gegeben hat und die Landesregierung auch sonst keine Gelegenheit auslässt zu betonen, dass sie ihre - ach so erfolgreiche - bisherige Linie selbstverständlich weiterverfolgen will.
Vielleicht sollten wir uns einmal grundsätzlich mit der Auslegung des Themas Diskontinuität beschäftigen.
Vizepräsident Dombrowski: Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
- Ja, gerne.
Frau Kaiser (DIE LINKE):* Sehr geehrter Herr Kollege Jungclaus, ich frage Sie: Könnte es sich bei der Auslegung der Bemerkung von Herrn Minister Markov in der letzten Sitzung um ein Missverständnis handeln? Nicht zuletzt deshalb habe ich den Passus des Koalitionsvertrags, der dieses Missverständnis aufklären könnte, vorhin zitiert.
- Liebe Kollegin Kerstin Kaiser, Sie waren ja als Ausschussvorsitzende an den Sitzungen beteiligt. Ich weiß nicht, wie man die Bemerkung des Ministers Markov anders auslegen soll, wenn ich ihn ganz konkret darauf anspreche, ob die Regelung der letzten Legislaturperiode Bestand hat und er das in diesem Zusammenhang infrage stellt und das Diskontinuitätsprinzip erwähnt. Wenn er es nicht infrage stellen würde, müsste er nicht von Diskontinuität sprechen. Aber ich denke, in diesem konkreten Fall hilft es uns jetzt nicht weiter, darüber zu diskutieren, ob Diskontinuität an dieser Stelle gegeben ist oder nicht. Insofern finde ich die Anregung, die Sie vorhin in Ihrer Rede gegeben haben, gut und bin deshalb dafür, dass wir uns alle gemeinsam noch einmal schnellstmöglich mit den Forderungen des damaligen Beschlusses beschäftigen und dann eine für unsere jetzige Landesregierung verbindliche Grundlage schaffen. - Vielen Dank.
(Beifall B90/GRÜNE sowie der Abgeordneten Kaiser [DIE LINKE] und Galau [AfD])