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Thomas von Gizycki spricht zu: Nachtragshaushaltsgesetz 2021

- Es gilt das gesprochene Wort!

Anrede

Ich fasse noch einmal zusammen, worum es bei diesem Nachtragshaushalt geht: Die Corona-Mittel sollen um 515 Millionen Euro angehoben werden. Woher kommt dieses Geld? Aus dem Sparschwein der Ministerin unter ihrem Schreibtisch? Nein, die Deckung erfolgt durch die Neuaufnahme von Krediten auf der Basis der erklärten Notlage im Rahmen der Schuldenbremse. Soweit so gut.

Doch ist das Ganze politisch zu bewerten? Der Landesrechnungshof merkt an, die Schuldenbremse verbiete grundsätzlich jede Neuverschuldung. Ausnahmen im Falle einer Notlage seien zwar möglich, aber halt nur im Ausnahmefall. Wenn eine Kreditaufnahme nicht erforderlich sei, dürften neue Schulden nicht gemacht werden. Gründe dafür wären z.B. ausreichend reguläre Haushaltsmittel oder eine entsprechende Rücklage. Der Landesrechnungshof sagt also: Wenn das Land Geld auf der „hohen Kante“ habe, dürfe es keine neuen Kredite aufnehmen. Das ist meiner Ansicht nach völlig richtig.

Anrede

Hat das Land also Geld übrig? Der Landesrechnungshof erkennt im aktuellen Jahresbericht an: Die Finanzpolitik des Landes steht vor großen Herausforderungen. Die Finanzierbarkeit des Haushalts wird zunehmend zum Problem. Und weiter: Inmitten der aktuellen Corona-Krise gleicht eine Vorausschau einem Blick in die Glaskugel. Derzeit kann niemand verlässlich vorhersagen, wie stark sich die Folgen der Krise tatsächlich auf die Haushalte des Bundes und der Länder auswirken werden.

Auch hier, denke ich, hat der Hof wieder völlig recht. Wie stark am Ende die finanziellen Folgen sind, werden wir erst im Nachhinein erkennen können. Dass es aber auch unter volkswirtschaftlichen Gesichtspunkten richtig ist, nicht in der Krise zu sparen, steht für uns ebenfalls fest. Es ist daher – bei aller Zustimmung zur Einschätzung der Lage durch den Landesrechnungshof – haushaltspolitischer Wahnsinn, jetzt schon die allgemeine Rücklage fast vollständig in Anspruch zu nehmen. Das würde die „großen Herausforderungen“, vor denen das Land unbestritten steht, noch weiter vergrößern. Zudem liegt auch die Rücklage nicht einfach so im Sparschwein der Ministerin unter ihrem Schreibtisch, denn auch sie ist „nur“ eine vorhandene Kreditermächtigung. Und es gehört auch zur Wahrheit, dass wir im laufenden Haushalt eine Entnahme aus Rücklage geplant haben, die höher ist, als der Nachtrag, den wir heute hier besprechen.

Anrede

Wir haben zudem nicht nur die Ausgaben, sondern auch die Einnahmenseite zu beachten. Die Einnahmen des Landes basieren ja zu großen Teilen auf Steuereinnahmen, Steuern die Unternehmen und die Brandenburgerinnen und Brandenburger erwirtschaften. Die Grundlage und der Rahmen für eine gute Entwicklung muss das Land geben. Lassen wir diesen Rahmen wegbrechen, gefährden wir auch künftige Einnahmen und damit auch die Wiederherstellung eines ausgeglichenen Landeshaushaltes.

Heute ist klar, dass wir uns immer noch in einer Notlage befinden – sogar in einer doppelten Notlage der Pandemie als Naturkatastrophe und der folgenden Wirtschaftskrise.
Thomas von Gizycki

Anrede

Wer hätte gedacht, dass nach Inkrafttreten der Schuldenbremse direkt ihre Ausnahme zum Tragen kommt. Im Mittelpunkt der Debatte um die Schuldenbremse der Zukunft steht aber nicht die technische Nachbesserung an den Sonderregeln für konjunkturelles und Krisendefizit. Wichtiger ist die Frage nach dem „richtigen“ strukturellen Defizit, das jenseits der kurzfristigen Schwankungen als die angemessene Obergrenze für die öffentliche Verschuldung gelten soll. In Anbetracht der großen Ausgabenbedarfe für Klimaschutz, Digitalisierung, Infrastruktur und weiteren Zukunftsaufgaben halten wir die heutige Schuldenbremse für eine zu enge Restriktion. Sie behindert direkt die generationengerechte Finanzierung von öffentlichen Investitionen und bringt auch indirekt die Finanzierung von Zukunftsaufgaben unter Druck, die regulär aus laufenden Haushalten zu finanzieren sind wie zum Beispiel Bildung, Pflege und Gesundheit, Integration etc. Die Schuldenbremse sollte daher reformiert und um eine Investitionsregel ergänzt werden.

Die staatlichen Nettoinvestitionen – also Investitionen minus Wertverlust durch Verschleiß – sind seit 2003 in ganz Deutschland negativ. Wir haben in dieser Zeit also öffentliches Produktivkapital nicht auf-, sondern abgebaut. Eine neue bzw. verbesserte Schuldenbremse muss die Investitionsblindheit der alten Schuldenbremse korrigieren und damit ihre Generationengerechtigkeit erhöhen. Neue Investitionen, in die Zukunftsfähigkeit des Landes und seiner Menschen dürfen nicht weiter blockiert oder zu Lasten laufender Ausgaben gehen. Es muss aber auch eine manipulationsfeste Lösung gefunden werden, die sachgerecht und so einfach wie möglich ist.

Eine reformierte Schuldenbremse sollte aber aus unserer Sicht darüber hinaus die Finanzierung von bestimmten Investitionen durch hierfür aufgenommene Staatsverschuldung ermöglichen.
Thomas von Gizycki

Anrede

Heute ist klar, dass wir uns immer noch in einer Notlage befinden – sogar in einer doppelten Notlage der Pandemie als Naturkatastrophe und der folgenden Wirtschaftskrise. Natürlich darf eine Notsituation nicht als Vorwand für beliebige Erhöhung der Einnahmen durch Kredite verstanden werden. Wir dürfen nicht gegen Haushaltsgrundsätze verstoßen und die Rechte kommender Landtage einschränken. Den mahnenden Finger des Rechnungshofes nehmen wir also sehr ernst. Die Ausgaben aus dem Corona-Rettungsschirm werden daher weiter von uns im Finanzausschuss auf den Prüfstand gestellt und müssen ab einer gewissen Höhe bewilligt werden. Nach Ende der Krise sollten wir die finanzpolitischen Folgen aufmerksam evaluieren. Ebenso sollte aus unserer Sicht die technisch beste Ausgestaltung der von Anfang an umstrittenen speziellen Konjunkturregel der Schuldenbremse hinterfragt werden.

Aufgaben, die heute umgesetzt werden sollen und – ganz oder größtenteils – gegenwärtige Zwecke erfüllen, sollen auch künftig aus den laufenden Einnahmen finanziert werden. Laufende Haushalte sollen strukturell ausgeglichen sein. In diesem Bereich spricht nichts dagegen, eine Nullverschuldung als Regel festzulegen. Eine reformierte Schuldenbremse sollte aber aus unserer Sicht darüber hinaus die Finanzierung von bestimmten Investitionen durch hierfür aufgenommene Staatsverschuldung ermöglichen. So wie wir es im Prinzip mit dem Zukunftsinvestitionsfonds schon umgesetzt haben. Unter den derzeitigen Regeln der Schuldenbremse ist der Fonds nicht möglich.

Anrede

Warum hat Brandenburg die Pandemie bisher finanzpolitisch außerordentlich gut überstanden:

  • Die Verwendung der Corona-Schulden wird parlamentarisch eng kontrolliert.
  • Mit dem Zukunftsinvestitionsfonds kann das Land nicht nur an heute, sondern auch an morgen denken.
  • Der kommunale Rettungsschirm sichert die Leistungsfähigkeit der Städte und Gemeinden.
  • Und nicht zuletzt haben wir nicht gegen die Krise angespart.

Lassen Sie uns also auch heute bei diesem erfolgreichen Kurs bleiben. In diesem Sinne empfehle ich die Zustimmung zum Nachtragshaushalt.