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Axel Vogel spricht zum für Gesetz zum mittelfristigen Ausstieg aus der Braunkohleförderung

Sehr geehrter Herr Präsident! Leere Ränge, liebe Damen und Herren! Möglicherweise erwarten Sie von mir eine flammende Rede zu den Auswirkungen der Braunkohleverstromung in Brandenburg auf das Weltklima. Ich muss Sie enttäuschen.

(Oh! von der Fraktion DIE LINKE)

Eine erneute Darlegung, dass das Kraftwerk Jänschwalde mit seinen 25 Millionen t CO2-Ausstoß pro Jahr viertgrößter Emittent Europas ist, dass es 2008 allein genauso viel CO2 produzierte wie alle 283 imissionshandelspflichtigen Betriebe des Landes Bayern, dass es mit jeder Kilowattstunde Strom zugleich 2 Kilowattstunden Abwärme produziert, mit jeder verbrannten Tonne Braunkohle mehr als 1 t CO2 in die Atmosphäre abgibt und jede zehnte Kilowattstunde für den eigenen Bedarf produziert, kann ich mir genauso sparen wie weitergehende Ausführungen zu dem besonders negativen Beitrag Brandenburgs zur Weltklimabilanz.

Das alles hat den Landtag bereits im Frühsommer 2008 in der Anhörung und Debatte zur Volksinitiative „Keine neuen Tagebaue - für eine zukunftsfähige Energiepolitik“ ausführlich beschäftigt. Die Notwendigkeit, Vattenfall bereits frühzeitig das absehbare Ende der Braunkohlenutzung zu signalisieren, nicht allein um die Dörfer Atterwasch, Kerkwitz, Grabko und Proschim vor dem Abbaggern zu retten, sondern auch um dem Stromkonzern die Unausweichlichkeit des Umstiegs auf andere Energieträger zu verdeutlichen, haben Ihnen damals die Vertreter der Volksinitiative in der Anhörung des Hauptausschusses und Frau Kaiser in der Debatte im Plenum des Landtags begründet.

Jeder von Ihnen weiß oder kann es wissen, dass Vattenfall noch über Vorräte von 1,3 Milliarden t Braunkohle in seinen fünf genehmigten Tagebauen in der Lausitz verfügt, dass diese Vorräte bei der gegenwärtigen Abbaurate noch 26 Jahre reichen und damit ausreichend Zeit besteht, die Stromversorgung in Ostdeutschland mittelfristig auf erneuerbare Energien umzustellen.

Jeder weiß, dass die Lichter nicht ausgehen, wenn Vattenfallkeine neuen Tagebaue genehmigt werden. Dennoch hat der letzte Landtag am 10. Juli 2008 den Gesetzentwurf der Volksinitiative abgelehnt. Flankiert wurde diese Entscheidung von einem Beschluss des Hauptausschusses, in dem es unter anderem wie folgt heißt:

„Der Hauptausschuss weist darauf hin, dass nach seiner Auffassung die Landesregierung neue Tagebaue nur dann
genehmigt, wenn die dazugehörigen Kraftwerke zur Braunkohleverstromung mit der CCS-Technologie ausgestattet
werden.“

Hierzu hat Herr Domres in der Landtagsdebatte am 21. Januar 2010 sehr klug Folgendes ausgeführt: „Alle seriös arbeitenden Wissenschaftler sind der Überzeugung, dass die CCS-Technologie, wenn überhaupt, frühestens
ab dem Jahr 2020 serienreif anwendbar sein wird. Es gibt mehr Fragen als Antworten. Auf all die ungeklärten
Fragen und öffentlichen Bedenken, die hinsichtlich der Speicherung von Kohlendioxid existieren, sind beschleunigte
Genehmigungsverfahren die falsche Antwort.“

- Wie wahr. Aber wie verhält sich nun die Landesregierung zu den von Vattenfall für das Tagebaufeld Jänschwalde-Nord und für Welzow-Süd, Teilfeld II, eingereichten verfahrenseinleitenden Unterlagen für die Erschließung dieser neuen Tagebaue?

In der Fragestunde am 17. Dezember hat Ministerin Lieske aufeine Anfrage von Herrn Domres erklärt, dass die Verfahren für Welzow-Süd, Teilfeld II, im Jahr 2013 und Jänschwalde-Nord im Jahr 2014 abgeschlossen werden. Das ist also vor der Inbetriebnahme des für 2015 avisierten Demonstrationskraftwerkes und deutlich vor dem Jahr 2020, dem von Herrn Domres genannten Zeitpunkt, zu dem erst erkennbar ist, ob die ganze Chose wirtschaftlich überhaupt funktioniert.

Wenn wir also heute erneut den damaligen Gesetzentwurf der Volksinitiative vorlegen, so geht es nicht darum, die Linke vorzuführen, wie es eine Zeitung heute schreibt, sondern darum, zu verhindern, dass Vattenfall den Landtag vorführt. Wir wollen dem Landtag ermöglichen, sich selbst und seine Beschlüsse ernst zu nehmen und seine damals beschlossene Position auch durchzusetzen.

Wie vom zuständigen Abteilungsleiter des Landesbergamts am 26. Juni 2008 vor dem Hauptausschuss dargelegt, ist das Bundesbergrecht ein Gesetz zur Förderung der Ausbeutung von Bodenschätzen und nicht zu dessen Begrenzung. Auch das Immissionsrecht ist an dieser Stelle keine Hilfe, da es bis heute keinen Luftschadstoff CO2 kennt und daher auch keine Beschränkungen für den CO2-Ausstoß verhängt werden können.

Nur mit dem Landesplanungsrecht ist es möglich, der Inanspruchnahme von Natur und Landschaft durch die Braunkohle Fesseln anzulegen. Genau dies ist der Ansatz des Gesetzentwurfs. Natürlich wissen wir, dass sich die landesrechtlichen Grundlagen geändert haben und am Gesetzentwurf deswegen noch etwas gefeilt werden muss. Ein Argument gegen die Überweisung an die Ausschüsse ist das nicht; denn genau zu dieser Verbesserung dienen die Ausschussberatungen.

Was unseres Erachtens aber überhaupt nicht geht, ist der von den Koalitionsfraktionen eingebrachte alleinige Verweis auf die Notwendigkeit, das Bundesbergrecht zu reformieren. Hierzu schreibt die Klinger Runde an uns Abgeordnete: „Der von den Fraktionen der SPD und DIE LINKE eingebrachte Entschließungsantrag ändert leider nichts an Ihrem politischen Willen des ,Weiter so‘. Damit verschieben Sie Ihre demokratische Verantwortung für Brandenburg und dessen Bürger auf die Bundesebene. Sie nehmen weitere Zwangsmaßnahmen gegen Menschen und Natur in Kauf.“

Aus dem Antrag der Fraktionen DIE LINKE und der SPD ist für uns in keiner Weise erkennbar, wie schnell und auf welchem Weg eine Änderung des Bundesbergrechts erfolgen soll. Erwarten Sie eine Bundesratsinitiative der Landesregierung? Was genau möchten Sie erreichen? Sollen zwar die Tagebaufelder erschlossen werden, die Dörfer und Naturschutzgebiete aber ausgenommen bleiben? Wenn das die gemeinsame Position der Koalition ist, warum schreiben Sie es dann nicht hinein? Es sei auch die Frage erlaubt, wer Vattenfall das Recht auf den Erwerb dieser Bergrechte eingeräumt hat und wie die Landesregierung diesen Erwerb flankiert hat. Aber so oder so: Zeit läuft.

Eine Änderung des Bundesbergrechts wird angesichts der bereits laufenden Genehmigungsverfahren zu spät kommen. Helfen kann allein eine Änderung des Landesplanungsrechts. Unsere Hoffnung und die Hoffnung der Bevölkerung vor Ort ist, dass Sie sich auf diesen Weg einlassen. Hierzu wendet sich heute die Klinger Runde, das Netzwerk für den Erhalt der Niederlausitzer Heimat - sie demonstrieren gerade vor dem Landtag -, mit einem offenen Brief an Sie, in dem sie bei Ihnen um die Zustimmung zu unserem Gesetzentwurf wirbt. Ich zitiere hieraus in Auszügen: „Wir wissen aber auch, dass oft mit ideologischen Argumenten eine demokratische Auseinandersetzung erschwert wird. Ja, jeder Einzelne von Ihnen steht vor einer ideologischen Entscheidung; der Entscheidung, sich von der Ideologie des ,Weiter so‘ zu verabschieden. Mit einer Abkehr von dieser Ideologie versöhnen Sie Brandenburg, von der Lausitz über Beeskow bis in das Oderbruch. Sie eröffnen nachhaltige Perspektiven und geben Brandenburg den Freiraum und die rechtliche Sicherheit für eine Entwicklung, die kommenden Generationen die gleichen Lebensbedingungen und keine Altlasten hinterlässt.“

(Beifall der Abgeordneten von Halem [GRÜNE/B90])

Weiter heißt es: „So manch Brandenburger Weg erweist sich heute, nach 20 Jahren als Irrweg und muss jetzt von Ihnen aufgearbeitet werden. In 20 Jahren wären mit der Fortführung der derzeitigen Energiepolitik unter anderem die Bürger der Gemeinde Kerkwitz schon ihrer Heimat beraubt.“ Der Brief endet wie folgt: „Mit diesem offenen Brief appellieren wir an Ihre Verantwortung als Abgeordnete aus Brandenburg, einen Leuchtturm zu machen, der weltweit zeigt, dass Wohlstand für alle dauerhaft und ohne die Risiken und ohne die Nebenwirkungen möglich ist. Seien Sie mutig und entscheiden sich in Ihrem Gewissenskonflikt für diesen Weg.“

Vor dem Landtag hat Frau Kerstin Kaiser am 10. Juli 2008 zu Beginn der letzten Debatte Folgendes gesagt: „Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Fraktion hat die Volksinitiative ,Keine neuen Tagebaue‘ stets
unterstützt. Dies werden wir auch heute wieder tun. Die Koalition dagegen wird sie ablehnen. Damit ist dann hier
im Parlament etwas klargestellt. Aber, verehrte Kolleginnen und Kollegen, all die dahinter stehenden Fragen bleiben
bestehen.“ So Kerstin Kaiser am 10. Juli 2008 vor diesem Landtag.

Weiterhin hat sie gesagt:„Wir hängen unsere Fähnchen auch nicht nach dem Wind.“

(Beifall des Abgeordneten Görke [DIE LINKE])

Liebe Fraktion DIE LINKE, umfallen kann nur, wer vorher aufrecht gestanden ist. Ich bescheinige Ihnen, dass Sie während unserer gemeinsamen Volksinitiative und dem Volksbegehren aufrecht gegen Vattenfall und die Braunkohle gestanden sind. Ich hoffe daher, bei der Abstimmung heute keinen lauten „Bums“ zu hören. Stimmen Sie für die Überweisung des Gesetzentwurfs der Volksinitiative an die Fachausschüsse. Dies gilt auch für alle anderen Kollegen, die 2008 den Beschluss des Hauptausschusses, ohne funktionierende CO2-Abscheidung keine neuen Tagebaue zuzulassen, noch mittrugen. Auch Sie sollten der Überweisung zustimmen. Sollten Sie dies aus Koalitionsräson heute ablehnen, geben wir anschließend allen die Gelegenheit, ihr Abstimmungsverhalten namentlich zu dokumentieren.

Vielen Dank.

(Beifall GRÜNE/B90 - Görke [DIE LINKE]: Kein Problem!)