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Thomas von Gizycki spricht zur Aktuellen Stunde „BER-Inbetriebnahme: Es ist mehr Problembewusstsein statt Schönfärberei gefordert!“

- Es gilt das gesprochene Wort!

Ein Flughafen ist ein Flughafen, da macht auch der neue Willy-Brandt-Flughafen in Schönefeld keinen Unterschied. Flughäfen verursachen Lärm, Fluglärm. Fluglärm ist für viele Anwohner ein großes Problem. Zwar wurde bereits viel unternommen, um Fluglärm zu mindern, jedoch sind weitere Maßnahmen erforderlich, um die Bevölkerung besser davor zu schützen (UBA). Das gilt ganz allgemein, aber besonders für Schönefeld und Umgebung erst recht, schließlich nimmt dieser Lärm dort jetzt mit der Inbetriebnahme des neuen Großflughafens massiv zu. Den Schönefelderinnen und Schönefeldern hilft es da wenig, wenn man sie darauf hinweist, dass im gleichen Zug ja auch ein Flughafen, Tegel, geschlossen wird. Dazu kommt, dass der im Planfeststellungsbeschluss vorgesehene „weltbeste Schallschutz“ am neuen Flughafen bisher in den wenigsten Fällen auch tatsächlich umgesetzt wurde. Jetzt, nachdem die Fertigstellung und Inbetriebnahme des Berlin-Brandenburger Großflughafens endlich hinter uns liegt, ist es also gut, das zum Thema einer Aktuellen Stunde zu machen.

Was lange währt, wird endlich gut gilt hier ja nicht. Der oft fehlende Schallschutz ist ja nicht das einzige noch ungelöste Problem dieses Flughafens. Dazu kommen die Finanzen, der Klimaschutz und natürlich die Frage, ob sich das Desaster irgendwann wiederholen kann. Haben wir jetzt eigentlich die Sicherheit, dass dort nicht erneut Fehler passieren die wir am Ende alle teuer bezahlen werden?

Jede Menge Größenwahn und eine maßlose Überschätzung der eigenen Fähigkeiten durch die verantwortlichen Spitzenpolitiker in Berlin, dem Bund und hier in Brandenburg waren für die Baupannen am BER verantwortlich, das ist meine persönliche Schlussfolgerung aus den vergangenen acht Jahren BER. Dazu kam, dass es keine wirkliche Fehlerkultur in der Flughafengesellschaft gab.

Großprojekte von den Dimensionen des Willy-Brandt-Flughafens gehören zu den anspruchsvollsten Bauvorhaben überhaupt. Überall kann es da Probleme geben. Es ist eher Regel als Ausnahme, dass schwerwiegende unvorhergesehene Ereignisse auftreten. Dabei ist der Bauherr besonders gefordert, er kann die Reaktion auf Unvorhergesehenes nicht delegieren. Wenn der Bauherr seinen Pflichten nicht nachkommt, dann können sich die Eigeninteressen der Beteiligten voll entfalten, was beim BER katastrophale Ausmaße angenommen hat. Das ist übliches Lehrbuchwissen. Was mich als langjährigen Zaungast der Flughafenbaustelle nur wirklich gewundert hat, ist, dass dieses Wissen anscheinend komplett ignoriert wurde. Verantwortliche Politik, die Schaden vom Volke abwendet sieht anders aus.

Der Landesrechnungshof hatte 2015 in seinem Bericht über die Betätigung des Landes als Gesellschafter der Flughafen Berlin Brandenburg GmbH im Zusammenhang mit dem BER-Projekt auf die gemachten Fehler hingewiesen und wichtige Empfehlungen formuliert. Er wies zum Beispiel darauf hin, wie wichtig eine besonders hohe zeitliche Verfügbarkeit und fachliche Expertise der Aufsichtsratsmitglieder sei. Daher sollen Aufsichtsratsmitglieder ein breites Erfahrungswissen und fundierte Kenntnisse in Bezug auf Großbauvorhaben, Finanzmanagement, Unternehmensorganisation und Aufsichtsratstätigkeit haben. Die Strukturen zur Steuerung der Flughafengesellschaft sind inzwischen zwar deutlich verbessert worden, aber ich denke wir sollten uns die Empfehlungen des Hofes noch mal genau ansehen. Drei öffentliche Eigentümer finde ich für ein Unternehmen im Wettbewerb grundsätzlich suboptimal.

Anrede

Kommen wir noch einmal auf den fehlenden baulichen Schallschutz und damit auf das Thema zurück, welches die Menschen in der Region rund um den Flughafen und auch den Sonderausschuss BER von Beginn an beschäftigt. Ich finde die Kritiker der Schallschutzpolitik des Flughafens haben recht, wenn sie der Flughafengesellschaft vorwerfen, im Rahmen des rechtlich Möglichen den eigenen finanziellen Vorteil im Auge zu haben. Das muss eine GmbH auch. Die Menschen erwarten aber zurecht von einem staatlichen Unternehmen, dass es sich um die Probleme kümmert, die man ihnen macht. Schließlich haben sie den Flugverkehr vor Ihrer Tür nicht bestellt. Wir finden daher, dass der Staat mit mehr Empathie auf die Menschen zu gehen sollte. Er muss sich mehr kümmern, als das bisher anscheinend der Fall war.

Klar ist aber auch, dass ein Flughafen Lärm macht und dass er dort, wo er jetzt steht, eigentlich nicht stehen sollte, weil dort viele Menschen besonders stark vom Lärm betroffen sind. Am Standort kann man leider jetzt nichts mehr ändern. Am Lärm, den Flugzeuge verursachen, hingegen schon. Die Ziele des Volksbegehrens zum Nachtflugverbot werden daher auch von dieser Koalition weiterverfolgt, der Flughafen sollte unserer Meinung nach auch nicht weiter ausgebaut und Streitigkeiten bei Lärmschutzmaßnahmen in Härtefällen zugunsten der Betroffenen entscheiden werden. Eine Schiedsstelle für Fluglärmbetroffene könnte Anwohnern Rechtssicherheit bringen und die Situation deutlich entspannen.

Anrede

Eine weitere ungelöste Frage, ist der Finanzbedarf für den Flughafen. Auch ohne den massiven Einbruch des Flugverkehrs seit der Pandemie wäre der Flughafen vermutlich nicht in der Lage gewesen, seine Kosten in Höhe von derzeit über 6 Milliarden Euro zu refinanzieren.

Der BER müsste seine Erlöse um mindestens 50 Prozent gegenüber der heutigen Situation steigern, damit wenigstens der Betrieb des Flughafens kostendeckend wäre. Das sah der Vor-Corona-Businessplan zwar vor. Inzwischen ist der aber längst überholt. Tatsächlich hat die Flughafengesellschaft massive Liquiditätsprobleme. Kredite werden voraussichtlich nicht getilgt werden können. Neue Zuschüsse der öffentlichen Hand sind erforderlich und die Frage einer Überschuldung der Gesellschaft steht nach wie vor im Raum. Genau das aber wurde im Fachgespräch mit den externen Autoren der TU zum Thema Flughafenfinanzen im Sonderausschuss schon diskutiert. Wir werden das auch weiterhin tun. Die aktuelle Lage ist durch die notwendigen Corona-Hilfen derzeit sehr unübersichtlich. Daher halten wir es für erforderlich sauber zu trennen. Was sind strukturelle Defizite der Gesellschaft, die zu dauerhaften Verlusten führen und welche Defizite sind auf die Pandemie und die derzeitige Unterauslastung zurückzuführen, also nicht von Dauer? Wir Grüne wollen hier klare Verhältnisse und keine jahrelangen Zuschussdiskussionen. Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende wünscht sich der Finanzpolitiker vom Flughafen. Antworten erwarten wir hier vom neuen Businessplan. Auch darüber wird der Sonderausschuss dann in der gebotenen Ausführlichkeit reden. Den von BVB/Freien Wählern vorgelegte Entschließungsantrag werden wir ablehnen. Er ist überflüssig, weil alle dort aufgeworfenen Fragen im Sonderausschuss entweder schon besprochen wurden oder dort noch Gegenstand von Diskussionen sein werden. Dafür ist er ja da. Wir haben in der letzten Sitzung vernommen, dass die im Haushalt eigestellte Summe für den Flughafen eine reine Planungsgröße ist. Alle Details dazu seien noch offen und hängen von den Verhandlungen mit der EU, von der Entwicklung der Fluggastzahlen, vom Erfolg der ergriffenen Konsolidierungsmaßnahmen und auch von politischen Weichenstellungen ab.

Auch der weitere Ausbau im Sinne des Masterplans 2040 liegt derzeit auf Eis, das sollte inzwischen auch bei Ihrer Fraktion angekommen sein Herr Stefke.

Anrede

Wie hältst du´s mit dem Fliegen? Eine nicht nur für uns GRÜNE sondern die ganze Gesellschaft zunehmend relevante Frage. Also Klimaschutz versus Wohlstand und Freiheit? Nein, so einfach ist es nicht. Klar ist für uns GRÜNE, dass der billige Einkaufstripp mit dem Flieger nach London oder Barcelona der Vergangenheit angehören sollte. Es ist ja auch nicht in Ordnung, wenn sich eine kleine Oberschicht diesen Luxus vom Rest der Welt subventionieren lässt. Fliegen und der Austausch mit anderen Ländern gehört jedoch zu einer weltoffenen Region wie Berlin-Brandenburg zwingend dazu und das muss auch so bleiben. Deswegen sind wir auch froh, dass dieser Flughafen tatsächlich fertig geworden und, wie ich finde, ein würdiges Tor zur Welt geworden ist. Die Forderung nach einer gerechten Finanzierung des Luftverkehrs wird aber auf der Tagesordnung bleiben. Sie wird durch internationale Verhandlungen auch nach und nach Realität werden. Der Flughafen tut daher gut daran, sich schon jetzt auf entsprechende Änderungen im Flugverkehr und im Flugverhalten ein zu stellen. Unsere Forderung an die Flughafengesellschaft ist daher, das Wachstum und den Fluglärm zu begrenzen, den Flughafen wirklich kostendeckend zu betreiben und durch entsprechende Innovationen auch insgesamt für mehr Nachhaltigkeit des Fliegens zu sorgen.

Herzlichen Dank!