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Ursula Nonnemacher spricht zum Antrag der SPD und DIE LINKE „Impfen schützt alle“

Es gilt das gesprochene Wort!

Anrede!

Der Antrag nimmt den Titel der 4. Nationalen Impfkonferenz auf, die am 18. und 19. Juni 2015 von den Ländern Berlin und Brandenburg als gemeinsamer Gesundheitsregion in der Berliner Urania ausgerichtet wird. Sie steht unter dem Motto: „Impfen schützt alle – Masern-Elimination ist machbar!“ Der Antrag der Koalitionsfraktionen nimmt auch die Diskussion wieder auf, die wir hier im Märzplenum über den Prüfauftrag der CDU, ungeimpfte Kinder aus Betreuungseinrichtungen auszuschließen, geführt haben.

Bereits 1999 hatten sich Bund und Länder mit dem „Interventionsprogramm Masern, Mumps, Röteln“ die Elimination des Masernvirus bis 2010 auf die Fahnen geschrieben. Eingebettet war dieses Programm in die Bemühungen der Weltgesundheitsorganisation. Vor dem Hintergrund zahlreicher regionaler Masernausbrüche musste für die Region Europa das Eliminationsziel auf 2015 verschoben werden. Dieses Ziel werden wir erneut nicht erreichen, wie der aktuelle Ausbruch in der Region Berlin-Brandenburg belegt.

Die Ausrottung des Masernvirus stellt wegen seiner hohen Ansteckungsfähigkeit eine besondere Herausforderung da. Eine hohe Immunität in der gesamten Bevölkerung von mindestens 95% ist nötig, um Infektionsketten zu durchbrechen und die Elimination zu erreichen. Dazu sind zwei Impfungen erforderlich. Als Indikator für den Erfolg der Masernelimination sieht die WHO eine Neuerkrankungsrate von unter 1 Fall pro 1 Million Einwohner und eine stabile Impfquote von über 95% in allen Altersgruppen für die zweifache Masern-Mumps-Rötelnimpfung vor. Diese Impfquote erreichen wir in Brandenburg momentan nur bei den Schulkindern; eine ähnlich hohe Immunität kann bei den vor Einführung der Masernimpfung 1970 Geborenen unterstellt werden, die ihre Immunität noch durch eine Maserninfektion erworben haben.

Auch wenn die Diskussion momentan durch den großen Masernausbruch in unserer Region und das neuerliche Verfehlen des Eliminationszieles beherrscht wird, so sind Impfquote und Immunität im Kindesalter doch besser, als oft unterstellt. Für das Jahr 2001 wurden deutschlandweit 6.139 Masernfälle gemeldet, 2006 2.308 und 2014 443, wovon mehr als ein Viertel auf den Monat Dezember entfällt. Die Durchimpfungsraten für alle empfohlenen Impfungen haben sich bei den Schuleingangsuntersuchungen seit 1999 kontinuierlich stark erhöht. Sie liegen für Diphtherie, Tetanus und Polio stabil sehr hoch und für die 1. Masernimpfung inzwischen ebenfalls über 95%. Bei der 2. Masernimpfung bestehen noch Defizite, es werden aber jetzt auch Impfquoten von etwa 90% erreicht.

Aus dem Kinder- und Jugendgesundheitssurvey wissen wir, dass Impfungen häufig nicht zu den empfohlenen Zeitpunkten durchgeführt und Impflücken besonders bei Jugendlichen bestehen. Insbesondere bei Familien mit vielen Kindern, bei Migranten und bei Kindern, deren Eltern Vorbehalte gegen Impfungen haben, bestehen Defizite. Hier gilt es mit zielgruppenspezifischen Kampagnen und Öffentlichkeitsarbeit, wie sie auch im Antrag gefordert werden, gezielt gegenzusteuern. Die allergrößten Defizite verzeichnen wir aber bei den Erwachsenen!

Die in den letzten 15 Jahren dokumentierten Steigerungen der Durchimpfungsquoten im Kindesalter für viele Impfungen zeigen, dass weitere Erfolge und auch eine Elimination der Masern durch die Prinzipien der Aufklärung und der freiwilligen Impfung erreicht werden können. Es bedarf bei der augenblicklichen Lage dazu keiner Impfpflicht. Eine solche streng abzuwägende Impfpflicht wurde in Deutschland erst einmal vorübergehend mit dem Gesetz über die Pockenschutzimpfung erlassen. Auch die Eliminierung der Polio 2002 wurde auf der Grundlage unseres Systems der Freiwilligkeit erreicht. Die erste Masern-Mumps-Röteln-Impfung sollte mit 11 Monaten, die zweite vor Vollendung des 2. Lebensjahrs erfolgen. Der Schutz von kleinen Säuglingen und nicht Impffähigen kann nur über die Impfung des persönlichen Umfeldes erfolgen. Deshalb müssen im Zuge eines solidarischen Agierens Impflücken auch bei Älteren konsequent geschlossen und auch Asylsuchende unmittelbar nach Eintreffen in den Erstaufnahmeeinrichtungen konsequent nach den STIKO-Empfehlungen geimpft werden.

Der Antrag benennt sinnvolle Strategien zur Verbesserung des Impfschutzes weshalb wir ihm gerne zustimmen.