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Ursula Nonnemacher spricht zum Antrag unserer Fraktion „Für mehr Transparenz in der Pflegelandschaft: Landesweite Registrierung ambulanter Pflegedienste“

>> Antrag „Für mehr Transparenz in der Pflegelandschaft: Landesweite Registrierung ambulanter Pflegedienste“ (pdf-Datei)

- Es gilt das gesprochene Wort!

Anrede!

Jeder pflegebedürftige Mensch hat seine ganz eigene Geschichte. Zum Beispiel die der pflegebedürftigen Frau in der Uckermark, die alleine seit sechzig Jahren im eigenen Häuschen wohnt, und mit einer Busverbindung, die dreimal täglich nach Prenzlau führt. Oder die des pflegedürftigen Mannes in Kleinmachnow, der in einer barrierearmen Wohnung wohnt, gemeinsam mit seiner fitten Ehefrau und den Kindern nah dran in Berlin-Zehlendorf. Hat die Familie des pflegebedürftigen Mannes in der Prignitz über viele Jahre alles möglich gemacht, damit er trotz seiner fortschreitenden Demenz weiter in seiner Kommune leben kann? Sind seine Kinder abwechselnd jedes Wochenende und bei Notfällen aus Potsdam zu ihm gefahren, um für ihn einzukaufen, die Wohnung zu putzen und mit ihm zu reden?

Das waren drei – erfundene – Beispiele. Aber in der Realität hat jeder der fast 100.000 pflegebedürftigen Menschen hier im Land seine ganz eigene, höchst individuelle Geschichte und Ausgangssituation. Sie haben jedoch fast alle vermutlich eine Sache gemeinsam: Die meisten Menschen, die auf Pflege angewiesen sind, möchten diese nach ihren eigenen Wünschen gestalten und sie in ihrer vertrauten Wohnumgebung, in der Nähe ihrer bekannten Menschen, Freund*innen, Nachbar*innen erfahren. Im Gegensatz zu früher ist das heute in für die meisten Menschen auch möglich. Sie können, auch bei hoher Pflegebedürftigkeit, in sehr guter Qualität von ambulanten Pflegediensten in ihrer eigenen Häuslichkeit gepflegt werden- in Brandenburg liegt die Quote bei ungefähr 70%. Ich denke, hier sehen wir vermutlich in großer Übereinstimmung, die Zukunft der Pflege.

Dabei liegt wahnsinnig viel in der Pflege im Argen. Der unschöne Dreiklang lautet: Zu wenig Geld, zu wenig Zeit und zu wenig Personal. Die Bedingungen, mit denen die Beschäftigten in der Pflege jeden Tag kämpfen- wir alle kennen sie. Schon alleine aufgrund der Individualität jedes Menschen und der körperlichen Nähe zwischen zu Pflegendem und Pflegendem ergibt sich in der Regel ein unmittelbares Vertrauensverhältnis. Das erstreckt sich häufig auch auf die Angehörigen der Patient*innen oder Pflegebedürftigen. Das macht die Pflege zu viel mehr als einer reinen Leistungserbringung. Jede und jeder von uns kennt sie, die Pflegekräfte in den ambulanten Pflegediensten, die jeden Tag viele Kilometer zu ihren Patientinnen und Patienten fahren und dort gute Arbeit leisten, ohne ständig auf die Uhr zu blicken. Wir betrachten hier heute also einen hoch sensiblen Bereich des menschlichen Lebens und des sozialen Miteinanders. Hier brauchen wir Strukturen mit einer bestmöglichen Versorgungssicherheit.

Die besonders enge Bindung in einer Pflegebeziehung und die besondere Schutzbedürftigkeit der Pflegebedürftigen machen es aber auch leicht möglich, dass sie in seltenen Fällen Opfer krimineller Energie, ja von organisierter Kriminalität werden. Der Anlass für unseren Antrag ist ein Bericht des Bundeskriminalamtes von Anfang dieses Jahres. Der zeigte, wie einfach Betrug im Bereich der ambulanten Pflege sein kann, und – in perfider Kombination dazu – wie schwer aufzudecken. Die bekannt gewordenen Fälle zeigten, dass die Betrugskonstellationen sehr unterschiedlich waren:

  • Von Pflegediensten wurden Leistungen abgerechnet, die nicht erbracht wurden.
  • Es wurde gemeinsam mit dem Pflegebedürftigen betrogen, indem die Pflegebedürftigkeit nur vorgespielt wurde, um Leistungen zu erschleichen.
  • In anderen Fällen wurden Hilfskräfte eingesetzt, aber Fachkräfte bei den Kassen abgerechnet, oder es wurde eine 24-Stunden-Pflege abgerechnet, zum Beispiel bei Beatmungspatienten, die Fachkraft schaute jedoch nur drei Mal am Tag vorbei.

Diese vielfältigen Konstellationen sind deshalb möglich, weil es sich beim Abrechnungsbetrug nicht allein um ein Problem des SGB XI handelt. Es sind genauso die Rechtsbereiche des SGB V und SGB XII betroffen. Nicht nur sind damit auf Kostenträgerseite jeweils teilweise unterschiedliche Akteurinnen und Akteure und rechtliche Besonderheiten vorhanden. Es bedeutet auch, dass auf der Seite der Leistungserbringer*innen die ambulanten Pflegedienste in der Regel auf der Grundlage aller drei Rechtsbereiche agieren. Bemerkenswerterweise sind die ambulanten Dienste aber in keiner Landesbehörde zentral registriert.

Böse gedacht kann das bedeuten: Wenn ich mich mit Pflegedienst A auf Kosten des Gemeinwesens betrügerisch bereichere und – unwahrscheinlicherweise – dabei erwischt werde, kann ich anschließend problemlos Pflegedienst B gründen und weitermachen! Und keine Landesbehörde hätte davon Kenntnis!

Der Bericht des BKA spricht davon, dass organisierter Pflegebetrug einträglicher als Drogenhandel, sei das Risiko der Entdeckung minimale und deutlich geringere Strafen drohen als in traditionellen Kriminalitätsfeldern! Diese Möglichkeit zum schamlosen Ausnutzen der Situation pflegebedürftiger Menschen ist erschütternd. Aber gerade weil wir im Bereich der häuslichen Pflege vor allem Rücksicht auf den Schutz der Privatsphäre der pflegebedürftigen Menschen nehmen müssen, wollen wir mit unserem Antrag bei der Bekämpfung von Betrug ganz sensibel an der Stellschraube drehen. Auch wollen wir vermeiden, dass kriminelle Machenschaften Einzelner eine ganze Branche in Verruf bringen! Denn, um es auch ganz klar zu sagen: Wir stellen mit unserem Antrag nicht die ambulante Pflege an den Pranger! Und schon gar nicht die Menschen, die in der ambulanten Pflege arbeiten!

Für uns Bündnisgrüne bedeutet das: Das bestehende Prüfsystem muss weiterentwickelt werden. Es ist zwar zu begrüßen, dass die Bundesregierung mit dem PSG III Maßnahmen gegen Abrechnungsbetrug ergreift. Es werden aber hauptsächlich die Möglichkeiten für Pflegekassen erweitert, um gegen Betrugsfälle vorzugehen. So sollen die Landesverbände der Pflegekassen beispielsweise das Recht erhalten, neben Wirtschaftlichkeitsprüfungen auch Abrechnungsprüfungen zu veranlassen, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, für eine fehlerhafte Abrechnung bestehen. Was aber fehlt, ist die Beteiligung der Sozialhilfeträger in diesem Bereich, obwohl sie über die Hilfe zur Pflege einen großen Teil der Kosten für Pflege in Deutschland tragen! Die Chance, die Träger der Sozialhilfe angemessen in die Zusammenarbeit einzubeziehen, verspielt die Bundesregierung!

Nordrhein-Westfalen zeigt, wie es gehen kann. Dort besteht seit dem Sommer eine Meldepflicht für ambulante Pflegedienste. Das wünschen wir uns auch für das Land Brandenburg: Mit dem LASV haben wir eine in Fragen der Pflegequalität erfahrene Behörde. Das LASV - bisher schon zuständig für besondere Pflegeformen - soll über das Brandenburgische Pflege- und Betreuungswohngesetz zukünftig auch für ambulante Pflegedienste Prüfsysteme anwenden dürfen, die Betrug entgegen wirken. Das LASV verfügt über gut ausgebaute Kooperationsstrukturen zu den Verbänden der Pflege- und Krankenkassen sowie zu den Trägern der Sozialhilfe. So vernetzt und mit Kompetenz ausgestattet kann es bei Anzeigen und Hinweisen auf Gesundheitsgefahren und Rechtsverstöße durch ein Fehlverhalten ambulanter Pflegedienste effektiv zur Gefahrenabwehr einschreiten.

Wir finden, wenn hilfebedürftige Menschen nicht die Pflege erhalten, die ihnen zusteht, dürfen wir nicht mutlos zusehen! Wir wollen, dass das Land einen verlässlichen Überblick darüber hat, wer sich hier um pflegebedürftige Menschen kümmert! Wir bitten Sie um Zustimmung zu unserem Antrag.

>> Antrag „Für mehr Transparenz in der Pflegelandschaft: Landesweite Registrierung ambulanter Pflegedienste“ (pdf-Datei)

Der Antrag wurde abgelehnt.