- Es gilt das gesprochene Wort! -
Anrede!
Um einmal mit den Worten von Angela Merkel in eine Rede zu einer Initiative der AfD einzusteigen: Mit dem Kopf durch die Wand wird nicht gehen. Da siegt zum Schluss immer die Wand.
Schon im Januar haben wir über den vagen Antrag der AfD auf ein Familienpflegegeld zu zahlen aus dem Landeshaushalt diskutiert. Wir Bündnisgrünen hatten auf unser bundespolitisches Konzept einer Freistellung von pflegenden Angehörigen für einen Zeitraum von drei Monaten durch eine Lohnersatzleistung analog des Elterngeldes verwiesen. Jetzt legt die AfD-Fraktion mit einem kruden und in sich widersprüchlichen Gesetzentwurf nach.
Er korrigiert die ungenaue Herangehensweise der AfD-Fraktion an die Frage der besseren Unterstützung pflegender Angehöriger nicht. Im Gegenteil. In einigen Punkten offenbart der Gesetzentwurf eine erschreckende Unkenntnis über politische Zuständigkeit und Verwaltungsstrukturen. Am schlimmsten ist jedoch eine offen zur Schau gestellte Fahrlässigkeit in einem so sensiblen Bereich wie der Pflege. Die zeigt sich bereits in Paragraf 2: Um einen Anspruch auf das Landespflegegeld zu erhalten, soll die Pflege in - Zitat - „geeigneter Weise sichergestellt“ sein. Wir finden, hilfebedürftige Menschen haben einen unverhandelbaren Qualitätsanspruch auf die Pflege, die medizinisch erforderlich ist. Eine Abschwächung dieses Anspruches, wie sie durch die Wahl der Formulierung „in geeigneter Weise“ ermöglicht wird, ist für uns untragbar. Mit einer derart individualisierbaren Herangehensweise an gute Pflege ist weder den pflegebedürftigen Menschen noch den pflegenden Familienmitgliedern geholfen. Beim Pflegegeld nach SGB XI, von dessen Bezug die AfD-Fraktion den Bezug ihres Pflegegeldes abhängig machen will, wird viertel- bis halbjährlich in der eigenen Häuslichkeit überprüft, inwieweit die Qualität der pflegerischen Versorgung stimmt. Auf diese Ergebnisse zurückzugreifen, was ohnehin aufgrund der Systematik des Sozialgesetzbuches eher schwierig sein dürfte, schließt die AfD jedoch explizit aus. Sie möchte auf Regelungen eines Datenaustausches zwischen Behörden und Pflegeversicherung verzichten. Mit der Begründung, den Verwaltungsaufwand zu reduzieren! Wenn sich im schlimmsten Fall durch Überforderung der Zustand der pflegebedürftigen Person verschlechtert und die Angehörigen dadurch noch stärker belastet werden, als sie es ohnehin schon sind: Was denn dann, Hauptsache, der Verwaltungsaufwand hält sich in Grenzen?
Schleierhaft ist mir auch, wie Kombinationsleistungen nach § 38 SGB XI mit der Höhe des Landespflegefördergeldes verrechnet werden sollen, wenn auf Regelungen zum Datenaustausch zwischen Pflegekassen und kreislichen Behörden verzichtet werden soll.
Es war fast erwartbar, dass die AfD in einem Gesetzentwurf nicht ohne Diskriminierung zwischen Menschen auskommt, die hier schon länger leben und solchen, die neu in das Land hinzukommen. Absurde Züge würde dieser Passus aber annehmen, wenn ausgerechnet die angestammte brandenburgische Familie für ihre bei sich aufgenommene Oma aus Berlin kein Landespflegegeld bekäme. Glücklicherweise müssen wir uns aber über solchen Szenarien keine Gedanken machen: Unser Grundgesetz stellt sicher, dass niemand wegen der Abstammung, der Heimat und Herkunft benachteiligt oder bevorzugt werden darf.
Interessant ist auch, dass bei der Folgeabschätzung des Gesetzentwurfes ein Blick auf den Landeshaushalt vollständig unterbleibt. Es finden sich keinerlei Abschätzung zur Zahl der Anspruchsberechtigten oder der Höhe der Verwaltungskosten.
Klar ist: Bei vielen Menschen besteht der Wunsch, für pflegebedürftige Angehörige selbst da zu sein. Dies verdient Unterstützung und Anerkennung und vor allem ehrliche Angebote. Das System der Pflegeversicherung, die im vergangenen Jahr 3,55, Mrd. Defizit erwirtschaftet hat, gehört in Gänze auf den Prüfstand. Auch über Lohnersatzzahlungen an pflegende Angehörige ist zu reden. Der Vorschlag der AfD erscheint uns dagegen aus den genannten Gründen unseriös und wir werden ihn ablehnen.