- Es gilt das gesprochene Wort!
Anrede!
Gestern haben wir viele Aspekte des Lunapharm-Skandals und die massiven Versäumnisse unserer Aufsichtsbehörden besprochen. Es ist aber nötig den Blick zu weiten und sich die Produktion, den Handel und die Finanzierung von Pharmaka anzuschauen.
Warum ist die aktuelle Situation nur im Gesamtkontext zu betrachten? Der Türöffner für massiven Betrug und Patientengefährdung im Fall Lunapharm und ähnlich gelagerten Fällen ist der eklatante Preisunterschied zwischen Deutschland und anderen Ländern. Aufgrund dieses Unterschieds ist überhaupt erst die Reimportquote eingeführt worden. Wir wollen nicht nur - wie von der Task Force empfohlen - die Reimporte und Parallelimporte sehr kritisch auf den Prüfstand stellen und möglichst abschaffen, sondern wir wollen uns auch fragen, warum Medikamente in Deutschland überhaupt so sehr hochpreisig sind.
Die deutsche Pharma-Branche ist hoch profitabel. Die Ausgaben für Arzneimittel betrugen laut GKV-Spitzenverband allein im ersten Quartal 2018 9,61 Milliarden Euro. Verglichen mit acht anderen EU-Ländern sind bei uns die Preise der 250 umsatzstärksten patentgeschützten Medikamente um 1,5 Milliarden Euro höher. Die Kosten tragen die Versicherten. Es liegt nahe, dass wir uns angesichts dieser Summen im Sinne der Gerechtigkeit Gedanken über die Finanzierbarkeit machen müssen.
In der vergangenen Wahlperiode hatte der zuständige Bundesgesundheitsminister auch deshalb zu einem Pharmadialog aufgerufen. Antworten sollten gefunden werden, wie die Versorgung mit Arzneimitteln zukunftsfest ausgestaltet werden kann. Das klang erstmal gut. Bei näherem Hinsehen zeigte sich jedoch: Hier saßen drei Bundesministerien, vier Forschungsinstitute vor fünf Verbänden der pharmazeutischen Industrie. Keine parlamentarischen Vertreter*innen waren geladen, das Paul-Ehrlich-Institut nur zu ausgewählten Sitzungen. Dafür durfte aber noch die Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie und Energie mitreden. Im aktuellen Koalitionsvertrag ist die Fortsetzung des Dialogs vereinbart, diesmal immerhin unter Einbezug der Regierungsfraktionen des Bundestags. Wir raten dem Bundesgesundheitsminister, hier nicht wieder eine Lobbyrunde zu veranstalten, sondern diesmal auch Krankenkassen, Versicherten- und Patientenvertreter*innnen sowie unabhängigen Expert*innen mit zu beteiligen!
Ein dem Verkauf von Arzneimitteln vorgelagertes Feld, das ebenfalls extrem kostengesteuert ist, ist die Pharmaforschung. Auch sie muss konsequenter als bisher unter dem Aspekt der Patient*innengerechtigkeit betrachtet werden. Pharmaforschung wird häufig nur noch in Bereichen vorangetrieben, die besonders hohe Gewinnmargen versprechen. Betriebswirtschaftlich macht das absolut Sinn. Auf der Strecke bleiben allerdings Menschen, die von seltenen Krankheiten betroffenen sind oder wenn es um Erkrankungen geht, die weltweit betrachtet insbesondere ärmere Bevölkerungsschichten betreffen. Deswegen fordern wir Bündnisgrüne, neue und innovative Anreizmechanismen für bedarfsorientierte medizinische Forschung und Entwicklung einzuführen. Mit Hilfe eines globalen Forschungsfonds könnten Forschungs- und Entwicklungskosten von den späteren Arzneimittelpreisen und deren Verkaufsvolumen entkoppelt werden, um so Medikamente auf Grund deren Gesundheitsnutzens zu fördern und nicht auf Grund deren Profitaussichten.
Sichere Arzneimittel sind ein hochkomplexes Thema und immer aktuell, an jedem Tag. Nicht nur heute.