- Es gilt das gesprochene Wort!
„Kopflos in die Pauschale – wie gerecht ist die Gesundheitsprämie?“ titelte Anne Will in ihrer Sendung vom 7.März 2010. Trotz vieler Nebelkerzen, die in der Debatte gezündet werden und des gar so heftigen Protests der CSU sollte nicht übersehen werden, dass der Einstieg in die Kopfpauschale gar nicht kopflos, sondern gezielt und systematisch erfolgt. Schon 2007 hatte die Große Koalition beschlossen, ab dem Jahre 2010 die sogenannte Deckungsquote des Gesundheitsfonds auf 95% zu senken.
Ab dann sollten die einkommensabhängigen Beiträge und der Steuerzuschuss des Bundes die Gesundheitsausgaben nicht mehr vollständig decken. Den Rest sollten die Kassen durch Zusatzbeiträge eintreiben. Die gewollte Finanzierungslücke wird für 2010 auf 4 Milliarden und für 2011 auf 11 Milliarden Euro prognostiziert. Die ersten Zusatzbeiträge von 8 Euro wurden zum 1.2. dieses Jahres fällig und treffen besonders Geringverdiener mit einem Einkommen unter 800 Euro im Monat. Die jetzt ins Gespräch gebrachte zusätzliche „Gesundheitsprämie“ von 29 Euro schließt die Finanzierungslücke 2011 und taugt als Einstieg ins Kopfpauschalensystem. Die „kleinen Kopfpauschalen“ zum Stopfen der Finanzlöcher sind ideale Türöffner für den gewollten Systemwechsel und die Aushebelung eines solidarisch finanzierten Gesundheitssystems!
Wo die knapp 5 Milliarden für den Sozialausgleich einer Einstiegsprämie von 29 Euro herkommen sollen, ist momentan noch schleierhaft und wird der interessierten Öffentlichkeit sicher auch erst nach den Wahlen in NRW mitgeteilt werden. Eine völlige Umstellung der GKV Finanzierung auf einkommensunabhängige Arbeitnehmerbeiträge würde nach Berechnungen (IGES Institut/ Institut für Gesundheitsökonomie der Universität Köln) bei einer Prämienhöhe zwischen 140 und 154 Euro im Monat einen steuerfinanzierten Sozialausgleich zwischen 22 und 35 Milliarden € erfordern. Die grüne Bundestagsfraktion hat in ihrer kleinen Anfrage „Gestaltung des von der Koalition geplanten steuerfinanzierten Sozialausgleichs für Krankenversicherungsbeiträge und dessen soziale Auswirkungen“ das Finanzministerium mal durchrechnen lassen, welche Steuererhöhungen zur Gegenfinanzierung notwendig wären. Die kleine Anfrage (DS 17/691) der Grünen hat inzwischen in einschlägigen Fachkreisen Kultstatus erlangt. Um den Sozialausgleich gerecht zu gestalten, müsste er im Bereich der Einkommenssteuer stattfinden und obere Einkommen wesentlich stärker belastet werden. Sonst finanzieren Einkommensschwächere ihren benötigten Sozialausgleich zur Krankenversicherungsprämie teilweise mit.
Zusammenfassend lässt sich sagen: die Kosten für den steuerfinanzierten Sozialausgleich sind gewaltig und nur über massive Steuererhöhungen finanzierbar. Das weiß auch die CDU, ich zitiere ihren Gesundheitsexperten Jens Spahn: „Die Haushaltslage macht einen völligen Umstieg auf eine Gesundheitsprämie zumindest in dieser Legislaturperiode sicherlich nicht mehr möglich“.
Schwarz-gelb will aber die Steuern senken, nach dem Willen der FDP bis zu 24 Milliarden Euro. Die Quadratur des Kreises dürfte demgegenüber ein Kinderspiel sein! Man muss kein Prophet sein um zu wissen: „Entweder gibt es keine Kopfpauschale, oder es gibt keinen Sozialausgleich.“ (Zitat Biggi Bender)
Wir Grünen wollen keine Kopfpauschale, sondern setzen auf unser Modell einer solidarischen grünen Bürgerversicherung:
- alle BürgerInnen werden versichert, auch Beamte und Selbstständige
- die Finanzierungsbasis wird gestärkt durch Einbeziehung aller Einkunftsarten, auch Kapitalerträgen, Mieten und Gewinnen
- die Paritätische Finanzierung beim Erwerbsabkommen abhängig Beschäftigter bleibt erhalten
- Kinder sind kostenlos versichert
- Ehegatten/Partner sind nur beitragsfrei, wenn sie Erziehungs- oder Pflegearbeit leisten
- GKV und PKV werden in die Bürgerversicherung einbezogen, es gibt Wettbewerb zwischen mehreren Kassen
Wir dürfen uns bei der Diskussion um die Kopfpauschale aber nicht vom Allerwesentlichsten ablenken lassen: die Finanzierung der GKV ordnet nur die Einnahmenseite. Die Debatte um Strukturprobleme des Gesundheitswesens und um die Ausgabenseite – was kann sich ein solidarisches Gesundheitssystem vor dem Hintergrund des demographischen Wandels und des medizinischen Fortschritts leisten? – ist noch nicht in Ansätzen geführt.