- Es gilt das gesprochene Wort !
Anrede!
Die Zahl der rechtlichen Betreuungen nach dem 1992 in Kraft getretenen Betreuungsgesetz sind in Brandenburg wie in der gesamten Bundesrepublik drastisch gestiegen. Noch drastischer gestiegen sind die Kosten für Aufwandsentschädigungen und Vergütungen für die Betreuung. Während im Zeitraum von 2000 bis 2011 die Zahl der Betreuten um etwa 50% gestiegen ist, haben sich die Kosten vervierfacht. Das Land Brandenburg gibt bereits jetzt mehr Geld für rechtliche Betreuung als für die gesamte Sozialgerichtsbarkeit aus. Der Bericht des LRH beziffert die Kosten eindrucksvoll mit 33 Mio. Euro per anno in 2011 oder 90.000 Euro täglich! 85% dieser Kosten entfallen dabei auf berufsmäßige Betreuer. Der Anteil ehrenamtlicher Betreuer, die nur eine jährliche Aufwandsentschädigung von 399 Euro erhalten, sinkt ständig und liegt aktuell unter 40%.
Die Zunahme der Zahl der Betreuungen mutet auf den ersten Blick ganz plausibel an.
Die demografische Entwicklung mit einer starken Zunahme der über 65-Jährigen und insbesondere der Hochaltrigen und damit einhergehend die zunehmende Zahl an Demenzerkrankungen könnte als Erklärung dienen. Doch die Daten, die der LRH in seinem Bericht zusammenträgt, sprechen eine andere Sprache: Weniger als ein Viertel der Betreuten war 65 Jahre oder älter, der demografische Wandel spielt also nur eine sehr untergeordnete Rolle.
Der „typische beruflich Betreute" ist nach den statistischen Erhebungen 51 Jahre alt, männlich und wird seit sechs Jahren rechtlich betreut. Die häufigsten Gründe für Betreuung sind demgemäß auch keine altersassoziierten Probleme, sondern geistige Behinderungen, psychische Erkrankungen und Alkoholabhängigkeit.
Erschreckend finde ich im Bericht des LRH, welche Gründe sowohl in den Betreuungsanregungen als auch in den Betreuungsanordnungen aufgeführt werden:
Soziale Auffälligkeiten wie Ruhestörung, Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom, Schwierigkeiten im Umgang mit Behörden, Sehbehinderung, Analphabetismus oder gar Diabetes sind allesamt keine Gründe, die allein eine rechtliche Betreuung rechtfertigen würden. Sie weisen vielmehr auf anderweitigen sozialen, medizinischen oder psychopädagogischen Betreuungsbedarf hin. Wenn der LRH – der Landesrechnungshof, meine Damen und Herren und nicht etwa die überörtliche Betreuungsbehörde!! – darauf hinweist, dass nicht der Eindruck entstehen dürfe, dass rechtliche Betreuung als Ersatz für Beratungsleistungen dienen dürfe, so haben wir ein sozialstaatliches Problem! Dieses Problem ist wieder an der Schnittstelle zwischen Landesaufgaben und kommunalen Aufgaben verortet. Im Bericht findet sich auf Seite 27 folgendes erschütterndes Zitat:
„Nicht verkannt werden darf aber, dass die Vermeidung von rechtlicher Betreuung für die Kommunen in der Regel zusätzliche Ausgaben bedeutet. Die aus der Landeskasse finanzierte rechtliche Betreuung wird sich daher in der Regel attraktiver darstellen als der Ausbau niedrigschwelliger Hilfsangebote."
Wollen wir explodierende Kosten für Berufsbetreuung eindämmen, so ist im Interesse der betroffenen Menschen zuerst hier anzusetzen: ihre Autonomie muss durch zielgenaue Hilfsangebote gestärkt werden. Eine Betreuungsanordnung durch die Justiz zu erwirken, um Behörden zu entlasten oder Kosten zu verschieben, ist absolut inakzeptabel!
Auch über die dringend erforderliche Begrenzung der Zahl von Betreuungen pro Berufsbetreuer wird zu reden sein. Eine weitere prophylaktische Maßnahme stellt eine Informationsoffensive für Versorgungsvollmachten, eine verbesserte Zusammenarbeit zwischen Justiz und Betreuungsbehörden sowie die Gewinnung ehrenamtlicher Betreuer da. An diesen Punkten setzt auch der Antrag der CDU Fraktion an, der gezielt Betreuungsvereine bei der Gewinnung und Qualifizierung ehrenamtlicher Betreuer unterstützen will. Ich habe für diesen Antrag insgesamt viel Sympathie. Auch die Entwicklung eines Konzeptes zur Betreuung und den Vorschlag der Förderfähigkeit von Freiwilligenagenturen finde ich sehr unterstützenswert. Unsere Fraktion würde es begrüßen, den sehr guten Antrag in die Ausschüsse für Haushaltskontrolle, Finanzen sowie den Rechts- und Sozialausschuss zu überweisen und ihn gemeinsam mit dem Bericht des Landesrechnungshofes und dem Nachtragshaushalt zu beraten.