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Ursula Nonnemacher spricht zum Antrag "Konzept zur Sicherstellung der medizinischen Versorgung vorlegen"

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- Es gilt das gesprochene Wort !

Anrede!

Die jüngsten bedauerlichen Ereignisse um die Schließung der Kinderklinik am Asklepios-Klinikum Uckermark in Schwedt ließen vermuten, dass sich in dieser Sitzungswoche auch der Landtag mit diesem Thema beschäftigen würde. Die Vermutung hat sich bestätigt: mit dem vorliegenden CDU Antrag, einer in Papierform gegossenen Nebelkerze, wird den zahllosen Beispielen von hektischem und hilflosen Aktionismus ein weiterer hinzugefügt. „Schaut her, liebe Brandenburger und Brandenburgerinnen, wir tun was und wir haben den Schuldigen klar identifiziert."

Die Probleme bei der Rekrutierung von insbesondere fachärztlichem Personal und die schlechte Auslastung der Kinderklinik sind zwar seit langem bekannt, aber seit der Ankündigung der – hoffentlich vorübergehenden – Schließung der Kinderklinik hagelt es Resolutionen, lösen sich Krisengespräche und runde Tische ab. Die Gesundheitsministerin sieht die Versorgung durch Telemedizin und Kooperation mit den Kinderkliniken Eberswalde und Pasewalk gesichert, Mike Bischoff sammelt Unterschriften und sogar der Ministerpräsident hat zum Krisengipfel geladen. Als Ergebnis wird verkündet, dass die Kinderabteilung im Herbst mit Fertigstellung des neuen Bettenhauses wieder eröffnet werden soll. Zumindest habe der Klinikbetreiber dieser Auffassung nicht widersprochen. Und die LINKE verkündet landesweit: „Kinderklinik Schwedt kann bleiben". Wenn man sich nun fragt, durch welche landesväterlichen Tricks Herr Platzeck die benötigten Pädiater für Oktober herbeigeschaffen will, wird man allerdings schnell ernüchtert: den bislang erfolglosen Anwerbeversuchen von Asklepios wird nun eine konzertierte Werbeaktion unter Einbeziehung von Land und Landkreis folgen. Unter dem Motto: „Uckermark sucht Helden für kleine Patienten" soll die Rekrutierung der Kinderärzte jetzt gelingen. Ähnlich hilflos nimmt sich auch die Empfehlung der Jusos aus, die städtischen Wohnungsbaugesellschaften sollten den zuziehenden Ärzten preiswert Wohnraum zur Verfügung stellen. Liebe Jusos, auch von einem Assistenzarztgehalt kann man sich in Schwedt problemlos eine Wohnung anmieten!

Neben hektischem Aktionismus sind Schuldzuweisungen an der Tagesordnung. Da steht im Fokus der private Klinikbetreiber Asklepios und die LINKE hat als Patentrezept die Rekommunalisierung von Krankenhäusern entdeckt. Obwohl ich nicht in Verdacht stehe, besondere Sympathien für private Klinikketten zu hegen und kommunaler Wirtschaftstätigkeit aufgeschlossen gegenüberstehe, ist dies eine unzulässige Vereinfachung. Die Schwedter Klinik ist ja erst 2006 aus finanziellen Erwägungen veräußert worden und die in kommunaler Trägerschaft befindliche Kinderklinik Prenzlau wurde geschlossen. Auch die Havelland Klinik Nauen – in Trägerschaft des Kreises und 20 km vor den Toren von Berlin - sucht dringend Kinderärzte. Nicht zu vergessen, dass das städtische Klinikum Brandenburg/Havel unter sozialdemokratischem Beifall gerade FachpflegerInnen durch ungelernte Servicekräfte ersetzen will. Grund: Sparzwänge. Nein, so einfach sind die Schuldzuweisungen bei einem hochkomplexen Problem nicht!

Der vorliegende CDU-Antrag macht nun wieder die Landesregierung als Hauptschuldigen aus und fordert ein verbindliches Handlungkonzept zur Sicherstellung der flächendeckenden medizinischen Versorgung. Das ist besonders albern, weil die Sicherstellung der ambulanten Versorgung in den Händen der Selbstverwaltung liegt, deren Unangreifbarkeit die CDU sonst nicht müde wird zu betonen. Auch die ständige Forderung nach dem Allheilmittel Stipendium für Medizinstudenten gehen hier am Problem vorbei: neben der fehlenden Evaluierung, ob die geförderten Studenten wirklich vor Ort bleiben oder nicht lieber Rückzahlungen bei Ergatterung einer begehrten Stelle in der Großstadt in Kauf nehmen, hat ja die Schwedter Klinik 12 Stipendien vergeben. Das schafft aber auch ad hoc keine Fachärztin her! Der Hinweis auf das Versorgungstrukturgesetz ist der reine Hohn, da ja dieses Gesetz wirksame Instrumente zur Verbesserung der Versorgung –Stichwort Verzahnung des ambulanten und stationären Sektors – gerade nicht bietet.

Der Befund, dass die Schließung der Kinderklinik in Schwedt, die auch den Niedergang der Geburtshilfe an diesem Standort bedeuten würde, eine Katastrophe für die Region wäre, ist absolut richtig. Die medizinische Versorgung ist ein sehr wichtiger Standortfaktor, ein Fehlen verstärkt die Abwärtsspirale in peripheren Regionen. Erstaunlich ist aber immer wieder die Heilserwartung, die Politik solle doch die Ärzte herbeischaffen. Auch bei der CDU scheint es sich noch nicht herumgesprochen zu haben, dass wir in einem freien Land mit Berufs- und Niederlassungsfreiheit leben und nicht mehr in einer sozialistischen Planwirtschaft. Es kann in Deutschland nach aktuellem Recht niemand gezwungen werden, seinen Wohn- und Arbeitsort in bestimmten Regionen zu wählen. Es können nur starke Anreize finanzieller und ideeller Art gesetzt werden. Für die finanziellen Anreize sehe ich die Bundesgesetzgebung über Umverteilung der GKV-Mittel in der Pflicht, die ideellen Anreize sind unser aller Verantwortung. Nur lebendige, demokratische, bunte, kultur- und umweltbewusste Kommunen sind für Zuzug attraktiv. Es wäre ein Akt politischer Kultur, sich zu den begrenzten Interventionsmöglichkeiten der Landespolitik zu bekennen und die vielen kleinteiligen Ansätze gemeinsam konsequent zu versuchen.