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Ursula Nonnemacher spricht zum Antrag "Verbesserung der Krankenhaushygiene"

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- Es gilt das gesprochene Wort !

Anrede!

Nosokomiale Infektionen sind Infektionskrankheiten, die im Zusammenhang mit medizinischen Maßnahmen auftreten. Dreiviertel der verursachenden Krankheitserreger werden von den Patienten mitgebracht, d.h. sie besiedeln Haut, Nasen-Rachen-Raum oder Darm. Ein Viertel werden meist in Krankenhäusern oder Pflegeheimen durch Hygienefehler auf primär nicht besiedelte oder infizierte Patienten übertragen. Das Risiko, an einer nosokomialen Infektion zu erkranken, ist bei Multimorbidität, hohem Alter, Immunschwäche aufgrund von Tumorleiden, langjähriger Zuckerkrankheit, bei Dialysepatienten sowie bei Vorhandensein von Fremdmaterial wie Beatmungstuben, Blasenkathetern oder PEG-Sonden zur Ernährung drastisch erhöht.

Nosokomiale Infektionen werden dadurch aggraviert, dass wir weltweit einen krisenhaften Anstieg von multiresistenten Keimen verzeichnen. Kurz nach Einführung des Antibiotikums Methicillin (einem Penicillinabkömmling) zu Beginn der 60iger Jahre wurden in den USA Resistenzen beim Bakterium Staphylococcus aureus beschrieben. MRSA (methicillin-resistenter Staphylococcus aureus) ist zum Synonym für diese Resistenzentwicklung geworden. Inzwischen beschäftigen wir uns mit einer Vielzahl von Problemkeimen, manche sind gegen alle herkömmlichen Antibiotika resistent. Für Gesunde sind die meisten dieser Keime kein wirkliches Problem. Der Mensch setzt sich täglich mit über 200 verschiedenen Bakterien, Viren und anderen Erregern auseinander. Eine Gefahr stellen Problemkeime für die multimorbiden, abwehrgeschwächten Hochrisikopatienten dar, die in unserem Gesundheitswesen einen immer breiteren Raum einnehmen.

Die Ursache für die dramatische Zunahme multiresistenter Erreger liegt im übermäßigen und falschen Gebrauch von Antibiotika. Europäische Vergleiche belegen eindrücklich, dass hohe Verbrauchsraten von Antibiotika wie in Südeuropa mit starker Ausbreitung multiresistenter Keime einhergehen, während Länder mit restriktivem Antibiotikagebrauch deutlich günstigere Resistenzlagen aufweisen. Ungezielte Schrotschussbehandlungen, sinnlose Antibiotikaprophylaxen, Unterdosierung, massenhafter Einsatz von Antibiotika in der Tiermast und der unkritische Einsatz von Reserveantibiotika bei banalen Infekten verschärfen die Situation. 75% aller Antibiotikaverordnungen erfolgen übrigens im ambulanten Bereich.

Warum hole ich so weit aus? Weil ich eindringlich vor dem Irrglauben warnen möchte, unsere Probleme mit nosokomialen Infektionen und Problemkeimen wären dadurch aus der Welt, dass pflichtvergessene, schlampige Krankenschwestern und Klinikärzte mittels Hygieneplänen endlich dazu gebracht würden, sich ordentlich die Hände zu desinfizieren! Ich will damit das Problem der hygienischen Händedesinfektion nicht banalisieren oder gegen Hygienefachkräfte und Krankenhaushygienepläne sprechen, natürlich brauchen wir auch die. Wir brauchen aber vor allem einen umfassenden sektorenübergreifenden Ansatz für eine nachhaltige Infektionsprävention.

Gerade an den Schnittstellen zwischen ambulantem Sektor, Pflegeeinrichtungen und Krankenhäusern muss im Sinne des Netzwerkgedankens wesentlich enger zusammengearbeitet werden. Gerade da bleibt das Bundesgesetz lückenhaft: Ambulante und stationäre Pflegeeinrichtungen werden nicht wie Arztpraxen, Tageskliniken oder Krankenhäuser in die Pflicht genommen, notwendige Maßnahmen zur Vermeidung nosokomialer Infektionen zu treffen. Aber gerade dort werden immer mehr der beschriebenen Hochrisikopatienten letztendlich versorgt. Hier kann der Landesgesetzgeber weiter gehen, wie es z.B. die bayerische Hygieneverordnung getan hat.

Dänemark und die Niederlande haben gezeigt, dass mit einer konsequenten und national einheitlich umgesetzten Isolierung, Behandlung und Dekolonisierung von MRSA Patienten große Erfolge erzielt werden können. Dazu müssen aber erhebliche Ressourcen des Gesundheitswesens aufgewendet werden. Obligatorische Screening aller Risikopatienten – und das sind sehr viele – auf MRSA vor Aufnahme in Krankenhaus und Pflegeeinrichtung, konsequente Isolierung schon in Rettungsstellen und Untersuchungsräumen, Unterbinden von sinnlosem Krankenhaustourismus zwischen Pflegeheimen und Notaufnahmen, durchgehende Isolierung mit all ihren Belastungen auf jeder Station und vor allem die Bereitstellung von zusätzlichem Personal. Es ist wissenschaftlich gesichert, dass Arbeitsüberlastung und Personalmangel jegliches Hygienemanagement unmöglich machen.

Das am 4.8.2011 in Kraft getretene Bundesgesetz greift zu kurz und ist lückenhaft. Die den Ländern auferlegte Pflicht bis zum 31. 3. 2012 eine eigene Hygieneverordnung aufzulegen wird in Brandenburg umgesetzt.

Hoffentlich geht das MUGV darüber hinaus und bezieht Pflegeeinrichtungen mit ein und stärkt die schon bestehenden Netzwerke zur Prävention der Verbreitung multiresistenter Erreger und nosokomialer Infektionen.

Den vorliegenden Antrag halten wir für entbehrlich.