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Ursula Nonnemacher spricht zum Antrag „Voraussetzungen für die Errichtung einer Pflegekammer prüfen“

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- Es gilt das gesprochene Wort !

Anrede!

Bündnis 90 / DIE GRÜNEN stehen der Einführung einer Pflegekammer in Brandenburg aufgeschlossen gegenüber, weil wir die Pflege stärken müssen. Gegenwärtig werden deren Aufgaben und Ziele vorwiegend aus der Sicht der Einrichtungs- und Kostenträger sowie von fremden Verbänden definiert. Pflegekräfte können zwar beteiligt werden, aber zwingend erforderlich ist diese Beteiligung nicht.

Bekanntlich ist die Realität in der Pflege durch einen ausgeprägten Mangel an Nachwuchskräften geprägt und Akzeptanz und Attraktivität der Pflegeberufe nicht besonders hoch. Zur Zeit haben wir in Brandenburg ca. 29.000 Pflegekräfte und einen prognostizierten Bedarf von 54.000 in 2030. Weil wir gut ausgebildete, motivierte und anerkannte Pflegekräfte und Pflegenachwuchs brauchen und die Professionalisierung der Pflege voranschreitet, wollen wir den Stellenwert der Pflegeberufe verbessern. Die Pflege braucht mehr Einfluss! Deshalb halten wir es für dringend geboten, dass die Pflege als wissenschaftlich fundierte Querschnittsdisziplin und als sozial rechtlich eigenständiger Leistungserbringer anerkannt und gestärkt wird.

Stärkung und Professionalisierung von Pflege wird einerseits durch die Einrichtung der verschiedenen Pflegestudiengänge betrieben, einen Weg, den wir in Brandenburg gerade begonnen haben. Andererseits wird berufliche Autonomie gebraucht, z.B. auch durch eine eigene Standesvertretung wie eine Pflegekammer. Sie ermöglicht den Pflegenden über die Inhalte ihrer Arbeit, die Qualifikation und Zusatzqualifikationen ihres Berufsbildes, die Einhaltung der Berufsordnung und somit auch Versorgungsqualität selbst zu bestimmen. Außerdem vertritt sie die Belange der beruflich Pflegenden in der Politik, in den Gremien der Selbstverwaltung, bei Behörden und vor Gericht.

Eine Pflegekammer wird dazu führen, der Pflege auf der politischen Bühne mehr Gehör zu verschaffen. Bisher ist die Pflege dem ärztlichen Berufsstand immer nachgeordnet, d. h. pflegerische Versorgungsentscheidungen werden noch durch Ärzte und Ärztinnen getroffen. Durch eine Kammer können die Pflegenden größeres Gewicht in den gesundheitspolitisch relevanten Gremien bekommen, da sie auf Augenhöhe mit den ärztlichen Heilberufen verhandeln werden.

Wie erfolgreich eine Pflegekammer Verbesserungen der Rahmenbedingungen in der Pflege, Qualifikation und Qualitätssicherung, Aus- und Fortbildung beeinflussen wird, müssen wir sehen. Andere Grundprobleme in der Pflege, z. B. Arbeitsverdichtung und schlechte Bezahlung, wird sie auch nicht kurzfristig lösen können. Außerdem werden Pflichtbeiträge fällig. An dieser Stelle setzt die Kritik der Gewerkschaften an, die ich für überzogen halte. Gewerkschaften können Pflegende nicht in gesundheitspolitisch relevanten Gremien vertreten, die von einer Pflegekammer als Körperschaft öffentlichen Rechts wahrgenommen werden könnten. Die Gewerkschaft vertritt die ArbeitnehmerInneninteressen, wohingegen die Pflegekammer Berufspolitik macht. Beides schließt sich nicht aus, sondern ergänzt sich. Ich selbst bin lange Jahre Mitglied bei Verdi gewesen – aber natürlich auch in der Ärztekammer.

Dass die betroffenen beruflich Pflegenden befragt werden sollen, ob sie eine solche Pflegekammer wünschen, erachte ich als eine Selbstverständlichkeit. Es ist ihre berufsständische Vertretung und sie bezahlen die Pflichtbeiträge zur Kammer. Warum Arbeitgeber befragt werden sollen, erschließt sich mir dagegen überhaupt nicht. Die Pflege will sich emanzipieren, sie muss nicht um Erlaubnis fragen! In anderen Bundesländern sind solche Befragungen schon durchgeführt worden oder sie laufen an. Wichtig finde ich, dass die Betroffenen bei der Befragung die richtigen Informationen bekommen. Nur wer die Vor- und Nachteile einer Kammer richtig beurteilen kann, kann sich klar entscheiden. In Berlin wird gerade unter Moderation des Gesundheitssenators und unter Einbeziehung von Pflegeverbänden ein solcher Fragebogen erarbeitet. Das scheint mir ein guter Weg zu sein.

Gut informierte Pflegende aus der Alten-, Kranken- und Kinderkrankenpflege mit einer entsprechenden Berufsausbildung sollten sich in der Befragung dazu positionieren, ob sie ihre beruflichen Belange durch eine Pflegekammer vertreten sehen wollen. Liegt ein positives Ergebnis vor, ist die Bildung einer gemeinsamen Pflegekammer Berlin/Brandenburg zu prüfen. Auch das halten wir für sachgerecht und sehr wünschenswert.

Wir unterstützen das Anliegen und den Antrag der CDU. Die Diskussion ist bundesweit eröffnet, die parallel verlaufenden Aktivitäten in Berlin lassen den Zeitpunkt jetzt als günstig erscheinen, auch in Brandenburg die Voraussetzungen für die Errichtung einer Pflegekammer zu prüfen.