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Ursula Nonnemacher spricht zum Bericht "Kindergesundheit und Kinderschutz stärken"

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- Es gilt das gesprochene Wort! -

Anrede!

Wir diskutieren heute den Bericht der Landesregierung zur Kindergesundheit und zum Kinderschutz. Nicht zufällig ist der Titel des Berichts gewählt, steht doch im Koalitionsvertrag, die Koalition prüft, nach der Evaluation bestehender Instrumente alle Regeln in einem "Kindergesundheits- und Kinderschutzgesetz" zusammenzufassen! Wir sind natürlich gespannt, ob der Bericht dazu führt, ein Landeskinderschutzgesetz in Angriff zu nehmen, wie wir GRÜNEN es seit langem fordern! Denn wir wissen ja alle, Kinderschutz kostet auch Geld! Und ein Kinderschutzgesetz würde verbindlich klären, woher wir das Geld nehmen wollen.

Wenig überraschend behauptet der Bericht jedoch, die Landesregierung hält bereits heute ein komplexes System vor, um gesundheitliche Chancengleichheit zu erreichen! Brandenburg befinde sich in einem fortlaufenden Prozess die Kindergesundheit und den Kinderschutz langfristig zu stärken. Dazu bedarf es nur "noch mehr Transparenz" - um den Familien die Angebote bekannt zu machen - und noch "bessere Verzahnung“. Neuer "landesgesetzlicher Regelungen" – eines Landeskinderschutzgesetzes - bedarf es derzeit nicht! Na so was!

Wo wir schon wissen, dass alles gut wird, wie steht es mit einzelnen Prüfpunkten im Bericht? Ausgehend von der These, dass regelmäßige Untersuchungen die beste Gewähr zum gesunden Aufwachsen bieten, wird beleuchtet, ob es weitere Gesundheitsvorsorgeuntersuchungen im Schulalter geben soll, um die Lücke zwischen Schuleingangs- und Schulabgangsuntersuchung zu schließen. Die niedergelassenen ebenso wie die AmtsärztInnen begrüßen diese Früherkennungsuntersuchungen. Die Landesregierung stellt jedoch fest, eine weitere Untersuchung in den Schulen würde "ins Leere laufen", da nicht überall qualifizierte ÄrztInnen zur Durchführung vorhanden sind.
Die Landesregierung zieht daraus das Zwischenergebnis: "dass allein das Festschreiben einer zusätzlichen Untersuchung nicht geeignet ist, flächendeckend die Gesundheit der Kinder und Jugendlichen zu stärken und dass eine Verzahnung der unterschiedlichen Untersuchungssysteme aufgrund der gesetzlichen Regelungen nicht möglich ist."

Dieser Prüfpunkt im System funktioniert schon mal nicht! Aber die Landesregierung schlägt angesichts dieses Befundes, wie ein Fuchs, dem die sauren Trauben zu hoch hängen vor, dass die "Kostentragung dieser Leistungen mit den Krankenkassen sowie mit dem Gemeinsamen Bundesausschuss abgestimmt wird." Getreu dem Motto, wenn wir sowieso keine ÄrztInnen haben, dann soll doch wenigstens die Untersuchungslücke von der Krankenkasse bezahlt werden! Das wird nicht klappen! Und vor allem bleibt offen, wie steht es um die gesundheitliche Chancengleichheit unserer Kinder? Denn die Untersuchungen U 10; U 11 und J 2 gehören bisher nicht zum Leistungsangebot jeder gesetzlichen Krankenkasse, d. h. die Eltern der Kinder müssen selbst in die Tasche greifen.

Der nächsten Prüfpunkt ist die Regelfinanzierung der "Netzwerke gesunde Kinder."
Auf Grundlage des Bundeskinderschutzgesetz können unsere Brandenburger regionalen "Netzwerke Gesunde Kinder" eine finanzielle Unterstützung aus dem System "Frühe Hilfen" erhalten und werden zu einem Regelangebot für Kindergesundheit und Kinderschutz in Brandenburg. Das ist positiv!
Werdende Eltern erfahren durch die Bundesmittel frühe, aufsuchende Hilfe durch Familienhebammen und auch die ehrenamtlich arbeitenden FamilienpatInnen werden verstetigt. Zur dauerhaften finanziellen Sicherung dieser Strukturen schwebt der Landesregierung ein Fond vor – natürlich auf Bundesebene, wofür sie sich im Bundesrat einsetzen wird.
Der dritte Prüfpunkt betrifft das Zentrale Einladungs- und Rückmeldeverfahren. Erfreulich ist die steigende Inanspruchnahme der U8 Untersuchung in 2011, gerade bei Familien mit niedrigem Sozialstatus. Jedoch kann aus einer Steigerung der Inanspruchnahme der U8 Untersuchungen nicht abgelesen werden, dass die gesundheitliche Situation der Untersuchten verbessert wurde, da das Verfahren nur äußerst bedingt in der Lage ist, eine Identifizierung von Kindeswohlgefährdungen sichtbar zu machen. Wir betreiben hier eine aufwendige Alibi-Bürokratie.

Der Bericht ist leider das Papier nicht wert auf dem er gedruckt wurde: Die Landesregierung evaluiert wesentlich ihre eigenen Tätigkeiten und die sind natürlich positiv. Leider erfahren wir nichts über die Situation von Kindern und Jugendlichen bei Gefahren für ihr körperliches und seelisches Wohl, sowie über Vorschläge zur Verbesserung und Weiterentewicklung des Kinderschutzes in Brandenburg. Hier ist die Landesregierung in der Pflicht, unverzüglich zu handeln, wenn der Kinderschutz in Brandenburg nicht zur hohlen Phrase verkommen soll.