Die neue Studie zeigt: Eine Vollversorgung Brandenburgs und Berlins aus erneuerbarem Strom zu jeder Stunde des Jahres ist bis zum Jahr 2030 technisch möglich. Im Jahr 2020 können danach bereits etwa 80% des Strombedarfs beider Länder aus erneuerbaren Energien gedeckt werden. Die Weiternutzung von Braunkohlekraftwerken ist nach den Ergebnissen der Studie nicht notwendig. Am Donnerstag wurde die Studie auf einer Pressekonferenz erstmals der Öffentlichkeit präsentiert.
Am 20. April 2012 an der BTU Cottbus stellen wir die Studie auf unserer Konferenz „Aus Visionen Wirklichkeit machen: Brandenburg & Berlin = 100 % Erneuerbar“ ausführlich vor und wollen gemeinsam mit Akteuren aus Wissenschaft und Praxis diskutieren.
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Vorstellung der Studie „Szenarioberechnung einer Stromversorgung der Region Brandenburg-Berlin auf Basis Erneuerbarer Energien“
Die Fraktionen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Brandenburger Landtag und im Berliner Abgeordnetenhaus haben eine von ihnen beim Reiner Lemoine Institut beauftragte Studie zur Stromversorgung von Berlin und Brandenburg mit erneuerbaren Energien vorgestellt. Diese zeigt, dass eine Vollversorgung Brandenburgs und Berlins aus erneuerbarem Strom zu jeder Stunde des Jahres bis zum Jahr 2030 technisch möglich ist. Im Jahr 2020 können danach bereits etwa 80% des Strombedarfs beider Länder aus erneuerbaren Energien gedeckt werden. Die Restlastkurve verdeutlicht, dass Braunkohlekraftwerke nicht geeignet sind, den verbleibenden Strombedarf zu decken, weshalb hier flexible Gas- und Dampfturbinenkraftwerke zum Einsatz kommen sollen. Die Weiternutzung von Braunkohlekraftwerken ist nach den Ergebnissen der Studie nicht notwendig. Ihr liegt die Annahme zu Grunde, dass der Stromverbrauch bis zum Jahr 2020 (Basisjahr 2010) um 20 Prozent gesenkt werden kann. Betrachtet man die bilanzielle Vollversorgung (aufsummierte Erzeugung erneuerbarer Energien im Vergleich zum Stromverbrauch) beider Länder, so wird eine Vollversorgung aus erneuerbarem Strom bereits um das Jahr 2020 erreicht.
Vollversorgung mit erneuerbaren Energien 2030 umsetzbar und bezahlbar
Für die Umsetzung der Ziele bedarf es insbesondere des Ausbaus der Photovoltaik und der Windenergie sowie der Errichtung einer Speicherinfrastruktur mit Batteriespeichern und Methanisierungsanlagen. Im Bereich Biogasanlagen und Biomassekraftwerke wird von der Beibehaltung des Status Quo ausgegangen. Eine Speicherinfrastruktur wird jedoch erst ab einer Deckung des Strombedarfs durch erneuerbaren Strom in Höhe von 70 Prozent benötigt.
Im Ergebnis zeigt sich, dass bereits im Szenario für das Jahr 2020 nur noch fossile Kraftwerke mit einer Leistung von gut 3.000 Megawatt (MW) benötigt werden. Diese müssen aufgrund der stark schwankenden Last der erneuerbaren Energien vor allem flexibel sein. Gut geeignet für diese Anforderungen sind Gas- und Dampfturbinenkraftwerke. Braunkohlekraftwerke werden hingegen als technisch vollkommen ungeeignet angesehen.
Für fossile Kraftwerke ergeben sich für das Jahr 2020 etwa 4020 Einsatzstunden. Angesichts ambitionierter Ausbauziele für die Erneuerbaren auch in anderen Bundesländern ist fraglich, ob es künftig noch ausreichend Nachfrage für den in Brandenburg erzeugten Braunkohle-strom geben wird. Der Export des Braunkohlestroms wird die Netze zusätzlich belasten.
Braunkohlekraftwerke sind für die Energiewende auch technisch vollkommen ungeeignet
Bei einer Begrenzung des Photovoltaikausbaus auf 6 Gigawatt (5 GW Brandenburg und 1 GW Berlin) werden bei einer Vollversorgung aus erneuerbaren Energien Stromgestehungskosten in Höhe von knapp 11 Cent/kWh im Jahr 2030 erwartet. Hierbei sind die Kosten der Speicherinfrastruktur inbegriffen. Weiterhin liegen der Berechnung konservative Annahmen zu Grunde, so dass eine Unterschreitung der Kosten zu erwarten ist.
Eine Vollversorgung aus erneuerbaren Energien ist nach den Ergebnissen der Studie nicht nur klimafreundlich und versorgungssicher, sondern auch bezahlbar.
Anlass der Studie sind die anstehenden Weichenstellungen in der Energiepolitik beider Bundesländer. Deren Landesregierungen stehen vor der Herausforderung, für ausreichend Klimaschutzmaßnahmen zur Erreichung des 2-Grad-Ziels zu sorgen und gleichzeitig eine zukunftsfähige Energieinfrastruktur bereit zu stellen bzw. zu entwickeln. Die Brandenburger Landesregierung hat hierzu bereits ihre Energiestrategie fortgeschrieben. Diese setzt sowohl auf den Ausbau der erneuerbaren Energien, als auch auf den Bau eines neuen Kohlekraftwerkes am Standort Jänschwalde. Der Berliner Senat strebt bis 2020 einen Anteil von Photovoltaik und Windkraft an der Stromerzeugung in Berlin von 1,5% an. Das Ziel beider bündnisgrünen Fraktionen ist jedoch der Ausstieg aus der Braunkohleverstromung und ein möglichst schneller Umstieg auf 100 Prozent erneuerbare Energien für eine emissionsarme und umweltverträgliche Energieversorgung.
Die vorliegende Studie greift dieses Ziel auf und untersucht eine Vollversorgung Brandenburgs und Berlins mit erneuerbarem Strom. Im Unterschied zur Energiestrategie 2030 der Brandenburger Landesregierung werden hierbei Berlin und Brandenburg gemeinsam betrachtet. Brandenburg ist Energieland und Energieexporteur, Berlin vor allem Energieimporteur. Ziel ist es, eine Versorgung beider Länder zu jeder Stunde des Jahres mit erneuerbarem Strom zu möglichst geringen Kosten zu gewährleisten. Das beauftragte Reiner Lemoine Institut hat sich auf die Untersuchung von Prozessen zur langfristigen Umstellung der Energieversorgung auf 100% erneuerbare Energien spezialisiert.
Berlin und Brandenburg modellhaft in sechs Regionen unterteilt
Für die Untersuchung einer Vollversorgung Brandenburgs und Berlins aus erneuerbarem Strom wurden verschiedene Szenarien entwickelt. Für diese wurde vorab untersucht, mit welchem Anteil der jeweiligen erneuerbaren Energieträger bzw. der Speicherinfrastruktur die geringsten Kosten einhergehen. Anhand eines Modells, welches die Einspeisebedingungen und den Strombedarf im Netz berücksichtigt, wurde anschließend eine zeitaufgelöste Simulation durchgeführt. Hierbei wurde die Region Brandenburg-Berlin in sechs Regionen geteilt.
Innerhalb der Simulation wurde zunächst die Versorgung der Teilregionen betrachtet, bevor ein Austausch mit den Nachbarregionen statt fand. Für die Übertragungskapazitäten zwischen den Teilregionen wurde das Höchstspannungsnetz des Übertragungsnetzbetreibers 50Hertz zu Grunde gelegt. Ausbauplanungen bis zum Jahr 2014 wurden einbezogen. Für die Simulationen wurde die tatsächliche Leistungsnachfrage in der Regelzone des Übertragungsnetzbetreibers 50 Hertz aus dem Jahr 2010 verwendet und entsprechend der realen Verbräuche auf Brandenburg und Berlin umgerechnet. Innerhalb der Studie wurden ausschließlich die Länder Berlin und Brandenburg als autarkes System betrachtet. Export, Import oder die Durchleitung von Strom wurden nicht berücksichtigt. Der Studie liegt die Annahme zu Grunde, dass das Stromleitungsnetz im Nieder- und Hochspannungsbereich in der Lage ist, den kompletten Lastfluss zu bewältigen.
Zweiter Teil der Studie wird sich mit Wärmeversorgung befassen
Heute haben wir Ihnen den ersten Teil der Studie vorgestellt, der sich mit dem Stromsektor beschäftigt. Derzeit wird durch das Reiner Lemoine Institut der zweite Teil der von uns beauftragten Studie für eine 100-prozentige Wärmeversorgung der Region erarbeitet.