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Interview mit Fachkrankenpfleger Ingo Böing: „Endlich bessere Pflegestrukturen vor Ort“

Portait Ingo Böing Foto: privat

Warum hast du dich damals für den Beruf als Krankenpfleger entschieden?

Ich habe meinen Zivildienst im Krankenhaus geleistet und dort gemerkt, wie schön der Pflegeberuf ist. Besonders hat mir gefallen wie kommunikativ und interaktiv die Pflege sowohl mit den Patient*innen als auch mit Kolleg*innen sein kann. Zudem war die Arbeit auch in einem hohen Maße zufriedenstellend, vor 20 Jahren waren die Arbeitsbedingungen ja auch noch wesentlich besser. Also habe ich mich dazu entschieden die Ausbildung als Krankenpfleger zu machen.

Was sind prägnante Erfahrungen im Pflege-Alltag?

Ich bin schon als junger Mensch mit Situationen wie Tod, schwerer Krankheit und starken psychischen Belastungen konfrontiert worden. Das war manchmal schwer und hat mich geprägt. Gleichzeitig hat mich der Beruf aber auch für das Leben gefestigt und viele Alltagsprobleme sind unwichtiger geworden. Jetzt kann ich das Leben in vollen Zügen genießen, weil ich weiß, wie anders es auch sein kann.

Viele Menschen sind vorzeitig aus dem Beruf ausgestiegen und der Nachwuchs bleibt aus.
Ingo Böing

Was sind die Herausforderungen für die Pflege in Brandenburg?

Es herrscht zurzeit Fachkräftemangel in der Pflege, im ländlichen Raum ist dieser auch besonders groß. Viele Menschen sind vorzeitig aus dem Beruf ausgestiegen und der Nachwuchs bleibt aus. Neben den Arbeitsbedingungen spielen aber auch die mangelhaften Weiterentwicklungsmöglichkeiten eine Rolle. Genau hier kann der Pakt für Pflege etwas bewirken.

Was soll der Pakt für Pflege bewirken? Warum ist er wichtig?

Der Pakt für Pflege kann die Strukturen der Pflege vor Ort verbessern. Ein häufiges Problem sind mangelnde Anlaufstellen, nicht vorhandene Vernetzung und vor allem im ländlichen Raum die fehlenden Angebote gerade für spezialisierte Pflegeleistungen. Gute Pflege kann nur dort stattfinden, wo zum richtigen Zeitpunkt die richtigen Stellen involviert sind. Die Pflegebedürftigen und deren Angehörige sind im akuten Fall häufig überfordert, sich die richtige Hilfe zu holen. Sogenannte Pflegestützpunkte, die beratend tätig werden, sind dafür dringend flächendeckend notwendig. Das ist auch eine kommunale Aufgabe.

Was heißt der Pakt für Pflege konkret für die, die gepflegt werden und die, die pflegen?

Im besten Fall können durch passende Maßnahmen die Pflegebedürftigkeit hinausgezögert, verringert oder vermieden werden. Das ist gut für die Gepflegten, aber auch gut für die Pflegenden, denn Prävention ist eine der großen Merkmale von professioneller Pflege und trägt auch viel zur Zufriedenheit bei der Berufsausübung bei. Gerade in Hinblick auf den demographischen Wandel ist es unabdingbar in der Häuslichkeit eine gute Versorgungsstruktur zu etablieren. Unter Nutzung aller Ressourcen, die das heimische Umfeld hat, zum Beispiel Vertrautheit, Angehörige um sich herum zu haben, individuelle Tagesstruktur und Selbstbestimmtheit. Dazu können auch Community Health Nurses beitragen, ein neues Berufsbild von hochqualifizierten Pflegenden, die auch zu den Menschen nach Hause kommen.

In dem Moment, wo Pflege von der richtigen Struktur zur richtigen Zeit angeboten wird, sind alle Beteiligten zufriedener.
Ingo Böing

Wie verbessert der Pakt für Pflege die Arbeit der Pflegenden?

In dem Moment, wo Pflege von der richtigen Struktur zur richtigen Zeit angeboten wird, sind alle Beteiligten zufriedener. Dort, wo es ein Mangel an Pflegestrukturen gibt, werden bestimmte Aufgaben auch von Diensten oder Einrichtungen übernommen, die dafür nicht qualifiziert oder nicht passgenau sind. Also steigt die Professionalität und die Zufriedenheit mit der Arbeit bei vernetzten Angeboten: Ich kann als Pflegender die Pflege an eine andere Stelle übergeben, wenn ich das für sinnvoll oder notwendig erachte.

Was ändert der Pakt für Pflege ganz konkret vor Ort und wo hapert es bei der Umsetzung bisher?

Wenn meine Angehörigen oder ich Pflege benötigen, können sie zum einen bei den Pflegestützpunkten auf professionelle Beratungsangebote zugreifen, zum anderen gibt es aber auch die notwendigen Angebote vor Ort, weil die Pflege Thema in den kommunalen Verwaltungen ist und notwendige Angebote geschaffen wurden. Das ist die tolle Vorstellung, was der Pakt für Pflege erreichen kann. An dem Punkt sind wir aber leider noch nicht. Deshalb ist es wichtig, dass der Pakt für Pflege auch über die Legislaturperiode hinaus erhalten bleibt, denn Pflege wird neben Klimaschutz eine der großen Themen der nächsten Dekade sein.

Hintergrund: Ingo Böing ist Fachkrankenpfleger für Intensivpflege und Anästhesie, Fachreferent für Pflege im Krankenhaus und Beisitzer im Vorstand BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Kreisverband Barnim.