Zum Inhalt springen

Hinweis: Diese Website wird nicht mehr aktualisiert und dient als Archiv. Weitere Informationen →

Aus dem ALUK: Persönliche Erklärung der Abgeordneten Isabell Hiekel anlässlich der Abstimmung im Umweltausschuss zum Ergebnis des Insektendialogs

Zum Antrag der Fraktion DIE LINKEN zum Brandenburgischen Kulturlandschafts- und Insektenstärkungsgesetz und den begleitenden Forderungen möchte ich Folgendes erklären:

Dem Antrag kann ich nicht zustimmen. Dieser Antrag basiert 1:1 auf den Ergebnissen des sogenannten Insektendialogs, die wir in einem intensiven Arbeitsprozess mit den Landnutzer- und Umweltverbänden bis März 2021 verhandelt haben. Das Ergebnis wurde im Nachgang des moderierten Verfahrens innerhalb der Koalition mit den Verbänden weiterentwickelt, unter anderem in Bezug auf die Finanzierung und das Kompetenzzentrum für Insektenschutz- und Forschung.

Außerdem hat es inzwischen weitere politische Entwicklungen auf Bundes- und EU-Ebene gegeben, an die die Texte angepasst werden müssten. Insofern müsste hier zunächst eine Überarbeitung des Gesetzesentwurfs vorgenommen werden.

Ich kann diesen Antrag aber auch nicht ablehnen, denn er hat an Aktualität und Dringlichkeit nichts verloren; im Gegenteil!

Das Insekten- und Artensterben geht weiter!

Zahlreiche Studien, unter anderem die im Fachjournal „Plos One“ veröffentlichte vom November 2023, belegen, dass das Artensterben noch drastischer ist, als bisher angenommen. Rund ein Fünftel der Tier- und Pflanzenarten in Europa sind vom Aussterben bedroht, 27 % der Pflanzen und 24 % der Wirbellosen sind besonders gefährdet. Weltweit sind doppelt so viele Arten vom Aussterben bedroht wie noch 2019 angenommen.

Die Ursachen für den dramatischen Artenschwund werden in Europa laut dieser Studien in den Veränderungen der landwirtschaftlichen Bodennutzung gesehen, aber auch in der Übernutzung unserer biologischen Ressourcen und der Ausdehnung von Siedlungs- und Gewerbegebieten.

Trotz geltender Bundesregelung zur Anwendung von Pflanzenschutzmitteln, werden noch immer Pflanzenschutzmittel in europäischen Schutzgebieten, den FFH-Gebieten, ausgebracht. Denn die Verordnung lässt weitreichende Ausnahmen und umfasst nicht alle Pflanzenschutzmittel, die in der Praxis angewendet werden. Zudem wurde jüngst die Genehmigung für das Unkrautvernichtungsmittel Glyphosat um 10 Jahre verlängert. Eine Katastrophe für den Artenschutz, denn glyphosathaltige Mittel beeinflussen großflächig Artenzusammensetzung und Häufigkeit von Wildgräsern.

Gewässerrandstreifen werden nach wie vor nicht ausreichend geschützt und die Flächenversiegelung geht weiter.

Diesen Entwicklungen wollten wir mit dem Brandenburgischen Kulturlandschafts- und Insektenstärkungsgesetz entgegenwirken. Dafür haben im Jahr 2019 rund 100.000 Menschen die Volksinitiativen unterschrieben.

Aber das ist nur ein Aspekt.

Derzeit erleben wir hier eine sehr bedenkliche gegenläufige Entwicklung:

Gerade werden in Brüssel im Schweinsgalopp Umweltvorhaben als Reaktion auf die massiven Bauernproteste abgebaut bzw. aufgeweicht, die bislang von den landwirtschaftlichen Betrieben als Gegenleistung für den Erhalt von Agrarförderung erbracht werden mussten.

Dazu zählen u.a. die Bereitstellung von 4 % Brachfläche als ökologische Vorrangflächen, die Erhaltung von Grünland und weitere Mindeststandards für vielfältige Fruchtfolgen und Bodenschutz.

Das EU-Gesetz zur Wiederherstellung der Natur steht vor dem Aus, trotz einer grundsätzlichen Trilog-Einigung.

Die lang- und heiß diskutierte EU-Verordnung zur Pestizidreduktion wurde von der Kommissionspräsidentin vor einigen Wochen zurückgezogen.

Und auch auf Landesebene wird die Strategie zur Reduktion der Anwendung chemisch-synthetischer Pflanzenschutzmittel des Umweltministeriums vom größten Bauernverband aufs Schärfste angegriffen.

All diese Entwicklungen führen uns auch in Brandenburg weiter in die Biodiversitätskrise. Ich möchte die Fakten hierfür nochmal ins Gedächtnis rufen:

Die Hälfte aller Käfer, Hautflügler – darunter auch die Bienen - und Schmetterlinge sind bei uns gefährdet oder ausgestorben.

Sinkende Bestände haben wir unter anderem bei Laufkäfern, Heuschrecken und Ameisen, aber vor allem bei den Vogelarten der Agrarlandschaft festgestellt. Besonders betroffen sind Rebhuhn, Feldlerche, Schafstelze und Feldsperling.

Insbesondere die Naturschutzgebiete und die europäischen FFH-Gebiete – übrigens nur 4 % der landwirtschaftlichen Flächen - sollten diesen Artenschutz gewähren und ihnen Lebensraum und Fortbestand garantieren.

Dafür waren im Frühjahr 2019 die Umweltverbände angetreten und hatten Unterschriften für ein Insektenschutzgesetz gesammelt.

Dieses Gesetz sollte sicherstellen, dass

  1. in Naturschutzgebieten und den FFH-Gebieten keine chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmittel und mineralische Stickstoffdünger mehr verwendet werden,
  2. Gewässerrandstreifen eingerichtet werden, die die Gewässer vor Pflanzenschutzmitteln und Dünger schützen,
  3. öffentliche Grünanlagen insektenfreundlich gestaltet und gepflegt werden und
  4. die Verpachtung landeseigener Flächen nach ökologischen Kriterien erfolgt.

In unseren Verhandlungen standen neben der inhaltlichen Ausgestaltung des Gesetzes und des begleitenden Entschließungsantrages immer wieder die Finanzierung des Ausgleichs für die Landwirte und Landwirtinnen im Mittelpunkt.

Ich muss hier auch nochmal klarstellen, dass die Einigung zum Gesetz letztlich gescheitert ist, weil die SPD keine gesetzlich fixierten Regelungen eingehen wollte.

Wir wissen, dass sich allein mit freiwilligen Leistungen aufgrund von Fördermitteln der Artenschutz in Brandenburg nicht realisieren lässt. Das machen die von mir aufgeführten Bestandsentwicklungen der Artengruppen deutlich.

Ohne einen ordnungspolitischen Rahmen in Form eines Gesetzes wird es keinen effektiven Insektenschutz geben!

Ich kann und werde deshalb den Antrag für ein Brandenburgisches Kulturlandschafts- und Insektenstärkungsgesetz nicht zurückziehen, wie mir das von Kollegen der SPD empfohlen wurde, auch wenn er zum Ende der Legislatur der Diskontinuität zum Opfer fällt.

Ich werde auch nicht aufhören, mich weiterhin dafür einzusetzen, denn wir haben keine Alternative, wenn es um die Erhaltung unserer Artenvielfalt geht.