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Carla Kniestedt spricht zu: Aktuelle Corona-Lage

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Mitmenschen in Brandenburg,

zur Situation, in der wir uns befinden, und zwar ALLE, ist schon einiges gesagt worden, ich werde dem noch einiges hinzufügen, möchte Sie aber zunächst auf einen anderen Gedankenweg mitnehmen. Der beginnt mit einem kurzen Satz:

Logik ist nicht überzeugend. Diese, aus meiner Sicht, niederschmetternden Worte habe ich mir nicht ausgedacht. Und würde gern feststellen, dass es wohl doch nicht wahr ist. Die Ereignisse in den Debatten der vergangenen Monate allerdings zeigen mir, dass an der Aussage des Satzes was dran ist.

Vor Monaten habe ich ein Seminar besucht um vielleicht ein bisschen besser zu lernen, wie ich mein Gegenüber, egal worum es geht, vielleicht überzeugen kann von meiner Auffassung. Und da fiel er, dieser Satz, nicht als Meinung, sondern als Merksatz. Ich werde es im Folgenden doch mit Logik zumindest versuchen, weil ich glaube, dass es trotz hochemotionaler Äußerungen im Zusammenhang mit Corona, die ich höre und wo auch ich regelmäßig in der Gefahr bin, mal so richtig auszuticken angesichts mancher Wortbeiträge, dass es dennoch immer noch Chancen gibt für nachprüfbar logische Argumente.

Ein kurzer Rückblick: Vor einem Jahr beteten wir geradezu die Impfung herbei, die uns von vielem erlösen sollte. Und ja, auch ich habe mich gegen jede Form von Impfpflicht ausgesprochen. Weil ich sicher war, dass im Moment, wo geimpft werden kann, die Deutschen quasi geschlossen an die Spritze eilen. Bitte erinnern Sie sich, dieser Eindruck war nicht unberechtigt. Aber er war ein Irrtum. Es stellte sich zunehmend heraus, dass Menschen aus ganz unterschiedlichen Gründen eben nicht einsehen, wie wichtig die Impfung ist.

Es gibt Menschen, deren Gründe kann ich nachfühlen. Da ist es übrigens wieder: ich fühle es. Vielleicht haben Sie in den vergangenen Tagen den Beitrag einer ehemaligen Kollegin des rbb gelesen. Sie erzählt von sich und ihrer schwerkranken Schwester, die sich gegen eine Impfung entschieden hatte und jetzt verstorben ist. An Corona. Eine schwerkranke Frau, die spürte und akzeptiert hatte, dass sie nur noch eine kurze Zeit vor sich haben würde. Und dass sie Angst hatte vor einem plötzlich vielleicht aktiven Immunsystem, das Schmerzen zurückbringen könnte, die sie nicht mehr ertragen konnte. Deshalb ihre Entscheidung. Die ich verstehen kann. Diese Frauen, diese Schwestern, haben etwas entschieden, was für sie stimmt und was ich nicht anzuzweifeln habe. Aber es ist eben ein Beispiel, es ist nicht verallgemeinerbar und hat nichts zu tun mit einer Entscheidung gegen die Impfung, weil sie für sinnlos gehalten wurde.

Und dann gibt es Menschen, die Angst haben vor Spritzen, ganz grundsätzlich und im Allgemeinen. Ich glaube, die sind erreichbar, noch immer.

Und dann gibt es Menschen, die ihre Jünger um sich scharen und das Ablehnen der Impfung für einen Akt des Widerstands halten. Die sämtlichen Verschwörungstheoretikern auf den Leim gehen, selbst ernannten Widerstandskämpfern. Da ist es mit Logik wirklich nahezu unmöglich, sich Gehör zu verschaffen.

Und dann gibt es Menschen wie Sie von der AfD. Die Menschen mit ihrem populistischen, wissenschaftsfeindlichen Unsinn manipulieren und so zu deren Schaden agieren. Sie gerieren sich als Kämpfer für Freiheit und machen exakt das Gegenteil. Mich mit Ihnen an dieser Stelle auseinanderzusetzen ist eigentlich müßig, aber die, die Sie wählen, denen schaden Sie massiv. Sie führen mit Ihrem pseudowissenschaftlichen Zeugs die Menschen hinter die Fichte. Es wird Sie also nicht wundern, dass ich zu Ihrem Antrag weiter nichts zu sagen habe als: dringend ablehnen.

Aber weiter mit meinem kurzen Rückblick. Die Situation wurde deutlich entspannter im Sommer. Dann war Wahlkampf. Und ich möchte darauf hinweisen: Es war einzig Annalena Baerbock, die sich traute in einem Triell zu sagen, dass sie das verpflichtende Impfen für Mitarbeitende in bestimmten Einrichtungen nicht komplett ausschließen will. Niemand sonst erwähnte das böse Wort auch nur! Jetzt wird wieder darüber diskutiert. Ich möchte hier ganz eindeutig folgendes sagen: Wir müssen sehr genau aufpassen, worüber wir da reden. Ich empfehle dringend, dem Deutschen Pflegerat zuzuhören. Deren Ansage ist eindeutig und für mich nachvollziehbar. Bitte reden wir, wenn von teilweiser Impfpflicht die Rede sein sollte, von einrichtungsbezogenen Überlegungen. Denn nur und immer wieder über Pflegende zu sprechen ist unlogisch UND unsensibel. Die emotionale Seite einer solchen verkürzten Formulierung wäre ganz klar: Die ohnehin komplett gestressten Pflegekräfte, denen wir alle auf Knien danken können dafür, dass sie durchhalten, müssen sich als Sündenböcke fühlen angesichts einer solchen Forderung. Die logische Seite geht so: in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen arbeiten viele in verschiedenen Berufen. Ergo macht nur einrichtungsbezogene Impfpflicht einen Sinn. Analog gilt das für Kitas, Schulen. Und ja, darüber muss diskutiert werden. Sachlich und überlegt.

Was wir aber vielleicht nicht mal müssten, wenn eben Logik überzeugend wäre. Und die etwa 15 Millionen, von denen sich noch viele impfen lassen könnten und müssten, zumindest nachdenken würden über Argumente, wie die, mit denen ich es jetzt nochmal versuche:

  1. Ja, die Impfungen sind sicher. Und nein, es gibt extrem wenige Langzeitfolgen. Übrigens, wichtig in diesem Zusammenhang: Langzeitfolgen, das Wort ist ein wenig irreführend. Es geht nicht um Folgen, die in Jahren erst auftreten. Es geht um Folgen, die in der Regel spätestens innerhalb weniger Tage nach der Impfung auftauchen. Die gibt es, sehr selten.
  1. Ja, Geimpfte können selbst erkranken und andere anstecken. Es ist aber ein Unterschied, ein nachweisbarer!, ob ein doppelt geimpfter Mensch, möglicherweise symptomfrei, auf einen anderen doppelt Geimpften trifft oder auf einen ungeimpften Menschen. Das ist so. Punkt.
  1. Wenn mehr Menschen geimpft wären, und ergo also die Zahl der sehr schwer erkrankenden Menschen, die auf Intensivstationen müssen, entsprechend geringer wären, wäre viel getan gegen massive Überlastung der Krankenhäuser.

Dazu noch ein paar Worte mehr, denn doch auch ein wenig emotional. Geklatscht wurde, als es losging mit massiven Belastungen der Mitarbeitenden in Krankenhäusern. Das war sicher gut gemeint. Und ja, die schwierige Situation der Pflege ist länger bekannt, es muss ganz viel passieren. Aber jetzt, jetzt können wir dafür sorgen, dass die Belastung nicht noch unerträglicher wird, indem wir unser Risiko schwerer Erkrankung reduzieren. Und da ist und bleibt Impfen das Mittel der Wahl. Und noch eine nachprüfbare, logisch einleuchtende Argumentation: Es gibt eine mehr als eindeutige Korrelation zwischen besonders niedriger Impfquote und besonders hoher Inzidenz. Und noch ein Wort an die, die so munter von Durchseuchung reden und meinen, das sei momentan der einzig gute Weg: Es ist wohl richtig, dass früher oder später jeder und jede von uns sich infizieren wird. Und dann Antikörper bildet. Wenn die Impfquote sehr hoch ist, die Zahl derer, die sich gewissermaßen natürlich infizieren können, übersichtlich gering ist und damit auch die Zahl derer, die schwer erkranken könnte, gering ist, wäre das machbar. Nur so ist es eben momentan nicht. Zu viele, die ungeschützt auf Infizierung setzen ergeben eben auch zu viele, die schwer erkranken werden.

Zum Thema Kontrollen von Regeln. Viele von Ihnen haben es vielleicht im Sommer oder während eines Urlaubs im frühen Herbst erlebt. Wer in Italien, Spanien oder Portugal unterwegs war, ist unaufhörlich gebeten worden, den Impfnachweis vorzuzeigen. In Herbergen, Hotels, Restaurants, beim Besuch antiker Stätten. Und zwar ganz ohne Sheriff in der Tür. Die Menschen machen es einfach. In Catania kam man gar nicht erst in den Flughafen rein, ohne sich auszuweisen! Was will ich damit sagen: Die Menschen in diesen Ländern haben ganz offenbar die schrecklichen Erfahrungen aus 2020 wirklich verinnerlicht, die grausamen Bilder mit den vielen Toten, die hoffnungslose Überlastung des Gesundheitswesens, die harten Lockdown-Maßnahmen. Das wollen sie nicht mehr. Möglicherweise war die emotionale Erschütterung so groß. Was ich sehr gut verstehen kann.

Bei uns erlebe ich diese Konsequenz leider nicht überall. Erstaunt erzählen mir Menschen, dass sie ihre Belege bereit hielten am Eingang von Restaurants, nur, kein Mensch wollte etwas sehen. Das ist mir unverständlich. Was ich daran ganz erstaunlich finde: einerseits wird so vehement erklärt, dass es doch wohl endlich darum ginge, wieder Eigenverantwortung zu übernehmen. Na dann würde ich sagen: fangen wir alle damit an, wo wir es können. Meine Erfahrung ist, dass die Menschen bereit sind, Regeln zu akzeptieren, auch 2G oder 3G. Diese beiden Maßnahmen halte ich für absolut notwendig, es ist gut, dass sie kommen.

Am wichtigsten aber scheint mir folgendes: dass wir uns daran erinnern an das, was vor einem Jahr galt und heute umso mehr gilt: dass wir diese enorme Krise nur gemeinsam bestehen können. Indem jeder und jede tut, was ihm möglich ist. Wozu wohl auch gehört, keine absoluten Sätze in die Welt zu geben von etwas das nie wieder oder auf keinen Fall oder auf jeden Fall gemacht werden muss. Seien wir doch bitte demütiger mit diesen absoluten Aussagen.

Wir sollten unbedingt und vor allem alles tun für die, die sich nicht impfen lassen können – die Kinder an allererster Stelle genannt! Die Inzidenzen gehen durch die Decke! Insofern ist es ausgesprochen sinnvoll, dass die Landesregierung die Maskenpflicht ab der 1. Klasse verfügt hat. Richtig so und wichtig! Aber nicht ausreichend. Testen ist die zweite Säule. Ja, vielleicht erkranken akut nur vergleichsweise wenige Kinder ernsthaft. Schlimm genug für jedes einzelne Kind. Aber sie gehen nach Hause und treffen außerhalb der Schule auf Menschen, die vielleicht ein schlechtes Immunsystem haben oder auch ungeimpft sind. Aber vor allem: es ist für mich geradezu eine Alptraumvorstellung, was passiert, wenn wir diese großen Zahlen unter den Kleinen nicht in den Griff kriegen. Eltern sind schon wieder hoch angespannt. Zurecht. Deshalb nochmal: wir müssen schnell sein und alles, wirklich alles versuchen an Schutzmöglichkeiten, was irgend möglich ist. Und vielleicht auch Eltern ansprechen, sie sensibilisieren für die von der STIKO empfohlene Möglichkeit, dass 12- bis 17-Jährige geimpft werden sollten. Das wäre dringend.

Es muss schnell in den Einrichtungen geboostert werden, wo die besonders gefährdeten Gruppen leben, unsere älteren Mitmenschen, deren Impfschutz nachlässt, nachgelassen hat. Die Zahl derer, die eine Nachimpfung erhalten haben, steigen deutlich, das ist erfreulich und überaus notwendig. Die Landesregierung geht davon aus, dass die Menschen in den Einrichtungen bis Ende November weitestgehend ihre dritte Impfung erhalten haben. Ich gehe davon aus und erlebe auch, dass die Landkreise und kreisfreien Städte so viele mobile Angebote schaffen wie möglich. In der Uckermark zum Beispiel wird gerade eingeteilt, wer sich um 1. und 2. Impfungen kümmert und wer wo zum boostern gehen kann. Mobile Angebote, wo immer es geht, das muss jetzt sein. Flexibel und schnell sein, um reagieren zu können, das ist Aufgabe von uns allen! Auch an dieser Stelle nochmal der kurze Blick zurück, weil es an verschiedenen Stellen wieder um Impfzentren geht. Erinnern Sie sich bitte: Als diese Zentren aufgebaut wurden, war der Impfstoff knapp und die Zentren waren nicht etwa Erfindung des Landes. Sie waren Teil der Nationalen Impfstrategie! Die Diskussion nach kurzer Zeit erinnere ich noch sehr genau: Wir brauchen mehr Impfzentren, sagten die einen. Nein, die sind viel zu teuer, sagten die anderen. Und überhaupt, die Hausärzte kriegen das prima viel besser hin. Und dann kam irgendwann kaum mehr jemand. Die Riesenräume standen gähnend leer. Mal angenommen, sie wären weiter voll gewesen, weil sich viele eine Erstimpfung geholt hätten, vielleicht gäbe es sie noch. Mit Sicherheit wäre dann die Impfquote höher. Aber wie mal jemand sagte: hätte, hätte….

Jetzt müssen wir handeln. Und das geschieht auch. Insofern, liebe LINKE, die Analyse der Situation in ihren Anträgen teile ich weitgehend, das ist wohl deutlich geworden. Was Sie als Lösung vorschlagen, wird gemacht oder vorbereitet. Insofern können die Anträge abgelehnt werden.

Es wird nicht einfach in den kommenden Wochen. Und das Auslaufen der epidemischen Lage nationaler Tragweite ausgerechnet auf einem weiteren Höhepunkt der Krise halte ich für zumindest unglücklich. In der Betrachtung ausgebuffter Juristen mag das logisch sein. Für den normalen Menschen ist es das vermutlich nicht wirklich.

Aber nochmal: Dass wir die Bewältigung dieser gigantischen Aufgabe nur gemeinsam bewältigen können, das scheint mir logisch. Land, Landkreise, kreisfreie Städte, Kommunen, Krankenhäuser, Ärztekammer, KVBB, jeder von uns. Und trotz des Merksatzes vom Anfang, dass Logik nicht überzeugend ist: Ich hoffe es dennoch.

Vielen Dank.