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Carla Kniestedt spricht zum Antrag "Flächendeckende Geburtshilfe sicherstellen – Jobattraktivität für Hebammen erhöhen"

- Es gilt das gesprochene Wort!

Es geht um den Antrag der AfD: Flächendeckende Geburtshilfe sicherstellen – durch Entlastung (freiberuflicher) Hebammen Jobakttraktivität erhöhen und Zukunft des Berufsstandes sichern.

Was ich zunächst mal irritierend fand: sie tun so, als wäre der Berufsstand nur über die freiberuflichen Hebammen zu retten. Aber lassen wir das.

Ansonsten klingt, was sie aufgeschrieben haben, ausgesprochen zugewandt. Hat nur einen ziemlichen Schönheitsfehler. Sie haben einen Antrag ihrer Bundestagsfraktion, Drucksache 19/10631 aus dem Juni 2019 eins zu eins abgeschrieben. Das Ungünstige daran ist, dass Sie nicht vorsichtshalber mal geprüft haben, was in der Zeit bis heute eigentlich geschehen ist. Deshalb übernehme ich das jetzt mal.

Ganz und gar unstrittig ist, dass Hebammen vermutlich einen der schönsten Gesundheitsberufe ausüben und einen, der so sehr entscheidend ist für ein freundliches Ankommen eines kleinen Menschen auf dieser Welt und für eine kostbare, angstfreie, wundervolle Erfahrung für die Mutter und den Vater.

Manchmal ist es gut, eigene Erfahrungen gemacht zu haben. Ich habe meine drei Kinder vor gefühlten Ewigkeiten in Kreißsälen entbunden, von deren Charme ich, vorsichtig formuliert, einigermaßen erschüttert war. Diese Zeiten, nur durch spanische Wände voneinander getrennt, die so ungeheuer fordernden Stunden zu erleben, oder einfach nur durchzustehen, sind längst vorbei. Kürzlich wurde ich Großmutter. Mein Enkelkind wurde im Krankenhaus geboren. Es war für Mutter und Kind – mich auch – eine wundervolle Erfahrung. Eine andere junge Frau aus meiner ganz direkten Umgebung wurde vor kurzem von ihrem Kind im Eberswalder Geburtshaus entbunden. Es war eine wundervolle Erfahrung. Ihr Antrag widmet den fest angestellten Hebammen in Krankenhäusern ganz zum Schluss einen schmalen Absatz. Das finde ich, geht nicht. Die einen wie die anderen brauchen wir. Und im günstigsten Falle ergänzen sich diese Varianten, und Frauen entscheiden sich für die, die ihnen entgegen kommt. Das vorweg.

Sie sprechen Probleme an. Die Haftpflichtversicherung. Ich habe noch einmal recherchiert, Ihre Ausführungen sind sachlich falsch. Richtig ist, dass der Sicherstellungszuschlag, den freiberufliche Hebammen seit 2015 beim GKV-Spitzenverband beantragen können, eine Erleichterung darstellt. Wiewohl damit nicht alle Probleme vom Tisch sind. Aber die beteiligten sind im Gespräch. Mitnichten sind die Versicherungssummen DER Grund, wie Sie schreiben, dass Hebammen die Geburtshilfe aufgeben. Das Ganze ist deutlich komplexer. Es geht zumeist um ein Bündel an Gründen. Zum Beispiel ist es für eine junge Frau, die selbst Familie hat attraktiver, die planbare Vor- und Nachsorge bei Schwangeren und jungen Müttern zu leisten. Was verständlich ist. Und nicht über Versicherungen lösbar.

Zu der Forderung ans Land, neue Geburtsstationen und Geburtshäuser zu eröffnen: das klingt so toll, ist aber, entschuldigen Sie, gerade mal von der Tapete bis zur Wand gedacht. Gerade in ländlichen Regionen, von denen Brandenburg eine ganze Menge hat, ist bei noch mehr Stationen und ergo weniger Geburten in jeder einzelnen Klinik, jedem einzelnen Geburtshaus, die Frage nach der Qualität nicht unwichtig. Wir wollen dafür sorgen, dass die bestehenden Geburtsstationen weiter existieren. Dafür braucht es Ideen, die es gibt, zu denen komme ich noch.

Vielleicht erinnern Sie sich, im Haushalt des Landes findet sich eine Position Hebammenaktionsplan. Da geht es um finanzielle Hilfen für Weiterbildung, das Externat, Praxisgründungen usw. Ergo vor allem um Qualität.

Und offenbar ist Ihnen komplett entgangen, dass, weil vor Ihnen schon einige sich Gedanken um die geburtshilfliche Versorgung gemacht haben, das IGES-Institut eine Studie veröffentlichte, die die Themen erarbeitet hat. Ein Ergebnis, dass sie durch Kontakt mit ihren KollegInnen im Bundestag hätten wissen können, ist die Erarbeitung eines Hebammenstellen-Förderprogramms, das sich gerade im parlamentarischen Verfahren befindet. Erstens empfehle ich lesen, zweitens verweise ich auf diese Initiative, weil auf Bundesebene entschieden wird, was dann in den Ländern umgesetzt werden soll. Ziel ist in jedem Fall eine deutliche Aufwertung des Berufes, was auch mit der ab 2023 verpflichtenden akademischen Ausbildung erreicht werden kann. Und vor allem geht es darum, den Schwangeren Sicherheit zu geben. Und da, das möchte ich doch anmerken, hat das vorgelegte Programm aus Sicht Brandenburgs, durchaus noch Schwachstellen.

Und zum Schluss, Stichwort neue Ideen: Es gibt inzwischen Pilotprojekte. Die versuchen, starre Systeme aufzulösen. Stichwort hebammengeführte Kreißsäle. In Bonn macht man damit sehr gute Erfahrungen, ich empfehle den Abschlussbericht zum Forschungsprojekt Hebammenkreißsaal. Wenn Sie es mit dem Lesen nicht so haben – rufen Sie mal im Krankenhaus Templin an, da wird auch so etwas probiert.

Fazit: Sie haben in ihrem Antrag den Erkenntnisstand von anno schnups fixiert. Probleme gibt es, ja. Aber im Gegensatz zu Ihnen, die alles irgendwie einfach nur aufzählen, bemühen sich andere Menschen um Lösungen, die auf dem Weg sind. Der Antrag ist abzulehnen.

Vielen Dank.