Herr Vizepräsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Und wieder ist es so, dass ich zwar herrlich etwas vorbereitet habe, aber zugleich auf alles Gesagte reagieren möchte. Ich halte mich jetzt aber mal an das, was ich vorbereitet habe.
Es geht um zwei Anträge, die vermeintlich das Gleiche wollen: die Stärkung der größten Gruppe in unserem Land, die Menschen pflegen - und das sind die Angehörigen. Zu vielen Aspekten und Gründen, beide Anträge abzulehnen, hat Roswitha Schier bereits einiges gesagt, was ich auch gesagt hätte bzw.
hätte sagen können. Ergo konzentriere ich mich auf etwas, was der Koalition - ich füge hinzu: auch mir persönlich - ganz besonders wichtig ist. In dieser Debatte fügen alle irgendetwas Persönliches ein. Wenn ich sage, dass auch mir die Sache persönlich sehr wichtig ist, hat das wahrscheinlich mit meiner Mutter zu tun - das meine ich ganz ernst -, die viele Jahrzehnte eine Station in einem Pflegeheim geleitet hat.
Es geht um die gesamte Situation in der Pflege. Eine Einmalzahlung an pflegende Angehörige ist eine Nettigkeit, mehr aber auch nicht. Sie verpufft, ohne dass sich irgendetwas Grundsätzliches für die Menschen zum Positiven ändert. Das wäre Geld, das einfach weg ist. Die Anträge geben mir aber die Gelegenheit, noch einmal ganz ausdrücklich - und jetzt Obacht, Ohren spitzen! - auf den Pakt für Pflege zu sprechen zu kommen.
Wir wollen echte, substanzielle Veränderungen in diesem wichtigen Bereich, damit, Frau Nicklisch, gute professionelle Pflege vermehrt ermöglicht wird. Die Zahlen beispielsweise, die in schöner Klarheit im Koalitionsvertrag nachzulesen sind, lassen in der gegenwärtigen Situation möglicherweise allen Haushältern den Atem stocken. Ich wiederhole dennoch gern, dass wir von 30 Millionen Euro jährlich sprechen, die für den Ausbau der unabhängig agierenden Pflegestützpunkte, für den Ausbau der Infrastruktur, der Tag- und Nachtpflege, den Ausbau niedrigschwelliger Angebote usw. gebraucht werden.
Damit würde den Familien wirklich geholfen. Sie würden entlastet, und sie würden damit nicht mehr an die Grenzen der eigenen Belastbarkeit geraten und möglicherweise an der schweren Aufgabe verzweifeln, Angehörige zu pflegen. Dabei handelt es sich im Übrigen nicht ausschließlich um alte, betagte Menschen. Es gibt durchaus auch junge pflegebedürftige Menschen.
Auf einige Dinge möchte ich noch genauer eingehen, die etwas über die grundsätzliche Betrachtung von Laienpflege und professioneller Pflege aussagen. Ich finde es durchaus bedenklich, liebe Linke, wenn überlegt wird, die bezahlte Pflegezeit auszuweiten. Das kann man vielleicht irgendwann machen, wenn alles andere in diesem großen Bereich super läuft. Im Moment aber würde das eine weitere Verlagerung der eben nicht von jedem Laien in notwendiger Qualität geleisteten Pflegearbeit in den privaten
Bereich bedeuten.
Unser Fokus beim Pakt für Pflege liegt eindeutig darauf, die Rahmenbedingungen für die professionell Pflegenden deutlich zu verbessern, Strukturen zu schaffen, die den Familien wirklich helfen und sie nicht in eine quasi verlängerte Freistellung zwingen und ihnen damit etwas aufbürden, was sie einfach nicht verantwortungsvoll leisten können.
Damit komme ich zum Vorschlag der AfD - ach, da sind Sie ja -, das Pflegegeld in den Bereich dessen anzuheben, was professionell Pflegende für ihre Leistung bekommen. Herr Kretschmer, Sie haben es schon versucht; ich versuche es jetzt noch einmal. Damit wollen Sie, liebe AfD - so steht es niedergeschrieben -, die Belastung der pflegenden Geringverdiener ein wenig abmildern. Dazu ist zu konstatieren, was schon gesagt wurde - Wiederholung ist die Mutter der Weisheit -: Das Pflegegeld steht den Pflegebedürftigen zu und ist nicht etwa ein zusätzliches oder ersatzweises Einkommen für Angehörige.
Beim Pflegegeld geht es darum, dass sich diejenigen, die es bekommen, selbst entscheiden können, wer für sie welche Leistungen als Unterstützung erbringen soll oder darf. Darum geht es! Das ist nicht für die anderen gedacht.
Was Sie hier vorschlagen, entspricht allerdings komplett Ihrem Bild von Familie: von der tapferen Familienmutter, die unaufhörlich sorgend um Vater und Kinder herumschwirrt und natürlich auch noch die Großeltern pflegt. Das macht sie ganz selbstverständlich für einen Gotteslohn. Nach Ihrer Meinung ist ihr das Pflegegeld gewiss. - Das alles ist so weit weg von der Lebenswirklichkeit von Familien in diesem Land, von den Bedürfnissen vor allem der Frauen, wie nur irgendetwas!
Vor allem die Frauen brauchen genau diese Unterstützung in den Bereichen, die ich aufgezählt habe, und die auch im Pakt für Pflege stehen, damit sie selbst gesund bleiben, damit sie ein eigenes Leben führen können, damit sie pflegen können, wenn sie das wollen, und damit sie - man kann es kaum glauben - selbst arbeiten gehen können.
Ich fasse zusammen: Wir wollen die Pflegenden im professionellen Bereich stärken. Wir wollen die Familien von der hochgradig anspruchsvollen Versorgung pflegebedürftiger Menschen entlasten. Wir wollen, dass Pflegebedürftige die Versorgung bekommen, die ihre Eigenständigkeit und ihre Lebensqualität so gut wie
möglich erhält. Sie alle brauchen diese Hilfe, liebe Linke, und sie brauchen etwas völlig anderes als das, was die AfD im Sinn hat.
Wir werden diese Anträge ablehnen, freuen uns aber auf massive
Unterstützung, wenn es darum geht, den Pakt für Pflege umzusetzen.
- Danke.