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Heiner Klemp spricht zu Corona-Soforthilfeprogramm an die Arbeits- und Lebensbedingungen der Kleinunternehmerinnen und Kleinunternehmer, Solo-Selbstständigen und Freischaffenden

- Es gilt das gesprochene Wort.

Frau Präsidentin,
werte Abgeordnete,
meine Damen und Herren,

liebe Solo-Selbständige draußen an den Bildschirmen!

Vielen Dank für die vielen E-Mails, die ich von Euch und Ihnen in den letzten Tagen bekommen habe. Ja, ich meine das Ernst! Und auch für die guten Gespräche am Telefon.

Ich verstehe, dass die Situation von vielen von Euch derzeit sehr schwierig ist. Vielleicht war es gerade gelungen, Euch etwas aufzubauen, von den Einnahmen zu leben, als die Krise kam.

Vielleicht haben Sie einen kleinen Betrieb gegründet, schon ein paar Mitarbeitende eingestellt, als die Krise kam.

Vielleicht arbeitet ihr im kulturellen Bereich, in der politischen Bildung, im Fremdenverkehr, vielleicht sind Sie Handwerker oder haben ein kleines IT-Unternehmen gegründet.

Nun scheint plötzlich der Boden unter den Füßen zu schwanken, wo er fest sein sollte. Ja, das sollte er sein, dafür haben wir gekämpft. Aber wir haben verloren. Und so gibt es zwar immer noch ein Netz, aber es hängt tiefer.

So die Theorie, die Praxis sieht zum Glück besser aus: 3 von 4 Solo-Selbständigen haben bereits Soforthilfe erhalten, für die auch ein rechtssicherer Bestandsschutz besteht. Nur ein kleiner Anteil der Betroffenen musste in Grundsicherung gehen.

Zur Wahrheit gehört aber leider auch, dass man nicht immer alles durchsetzen kann, was man will. Und so war es diesmal. Die Koalition, Brandenburgs Wirtschaftsminister Steinbach und viele andere haben dafür gekämpft, dass Umsatzausfälle in der Krise bei der Soforthilfe berücksichtigt werden können.

Mit Prof. Steinbach haben alle Länder-Wirtschaftsminister gekämpft, unter anderen Harry Glawe von der CDU aus Mecklenburg-Vorpommern, Hubert Aiwanger von den Freien Wählern in Bayern, Tarek Al-Wazir von den hessischen Grünen und auch Kristina Vogt von den Linken in Bremen. Sie alle haben gekämpft, haben sich aber beim Bundeswirtschaftsminister nicht durchsetzen können.

Der Bund blieb hart. Der Bund verweist Solo-Selbständige und Klein-Unternehmerinnen und -Unternehmer auf die Grundsicherung.

Meine Damen und Herren,

mir ist es sehr wichtig, auch in der Politik ehrlich zu bleiben. Ich mache das ja noch nicht so lange. Ich werde nicht damit anfangen, Niederlagen als Siege zu verkaufen.

Aber, meine Damen und Herren, ich habe ja viel Kontakt zu meinen Kolleginnen und Kollegen in anderen Bundesländern. Ob Bayern oder NRW, ob Sachsen oder Berlin, fast alle haben ihre Landesprogramme im Bereich bis 10 Mitarbeitende eingestellt und reichen die Bundes­hilfen 1:1 zu den Bedingungen des Bundes durch. Das passiert eben auch genau so, weil die Bedingungen des Bundes praktisch keine anderen Programme zulassen, ohne Bundesmittel zu verlieren. Das war auch das Dilemma von Brandenburg.

Sobald wir die Regelungen der Bundeshilfe verletzen, müssen wir mittlere dreistellige Millionenbeträge an den Bund zurückzahlen. Eine Rückzahlung von Bundesmitteln in der Größenordnung eines Viertels unseres Corona-Rettungsschirms - und das wäre die Folge, wenn wir den Antrag der Linken und BVB/Freie Wähler heute beschließen - wäre absolut nicht verantwortbar.

Sie wissen, das gerade wir Bündnisgrüne intensiv um alternative Lösungen gerungen haben. Aber auch das ist nicht darstellbar. Bei der Bearbeitung der fast 80.000 Anträge auf Soforthilfe hat die ILB einen Kraftakt vollzogen und dennoch 2 Monate gebraucht. Um alle diese Vorgänge wieder aufzumachen, würden wir die ILB also zwei weitere Monate in Anspruch nehmen. Wir brauchen die Kapazitäten der ILB aber, um jetzt weitere Hilfsprogramme aufzusetzen und abzuwickeln. Beides gleichzeitig ist nicht zu schaffen.

Wir haben daher in der Koalition verabredet, unsere Kraft auf Programme zu richten, die an die Soforthilfe zeitlich anschließen.

Neben Sonderprogrammen für bestimmte Zielgruppen wie die Kultur­schaffende werden wir uns darum kümmern, in Abstimmung mit dem Bund weitere Hilfen aufzusetzen, damit uns hier die Strukturen nicht wegbrechen und der Neustart der Wirtschaft gelingt. Das gilt sicher für den Bereich Gastronomie und Tourismus - aber eben auch für die weiter betroffenen Solo-Selbständigen.

Meine Damen und Herren,

diesmal werden wir nicht wieder vorpreschen und unsere Programme schneiden, bevor der Bund seine Regularien auf den Tisch gelegt hat. Diese Herausforderung, nachträglich die Bedingungen übereinander zu bekommen, tun wir uns sicher kein zweites Mal an.

Nach dem, was man derzeit aus Berlin hört, sind dort ausschließlich Kreditprogramme geplant. Solo-Selbständigen und Klein­unternehmen helfen Kredite aber in der Regel nicht. Das ist uns als Koalition klar und deshalb wollen wir für die, die dann immer noch von Umsatzeinbußen infolge der Pandemie betroffen sind, ein Zuschussprogramm für den Neustart auflegen. Hierfür rechnen wir mit einem zweistelligen Millionenbetrag.

Meine Damen und Herren,

wir Grüne haben in Brandenburg für die Soforthilfe gekämpft und hätten uns - wie Sie wissen - mehr gewünscht. Leider ist die Situation nicht mehr rückholbar. Aber wir wissen: Ebenso wie der Lockdown hält der Neustart der Wirtschaft große Herausforderungen für alle bereit. Als Koalition haben wir uns verabredet, Solo-Selbständige und Freiberufler genau dabei zu unterstützen. Dafür hat sich das Kämpfen gelohnt und wir danken unseren Koalitionspartnern für diesen gemeinsamen Weg.

Vielen Dank.