Die Corona-Krise erschüttert unsere Gesellschaft seit Monaten. Die Steuerschätzung und Wachstumsprognosen zeigen, dass ihre Folgen noch in den nächsten Jahren deutlich zu spüren sein werden. Auch das Land Brandenburg musste mit entsprechenden Programmen aus einem 2 Mrd. Euro kreditfinanzierten Rettungsschirm gegensteuern, um die schlimmsten Schäden für Bürger*innen, den Gesundheitssektor und die Wirtschaft abzufedern und verschiedene Institutionen vor der Schließung zu bewahren.
In der zweiten Phase – beim Leben mit der Pandemie – gilt es nun, die Weichen für einen Transformationsprozess zu stellen. Wir sollten dabei jedoch nicht nach dem Gießkannenprinzip Konjunkturhilfen auflegen, die womöglich die Klimakrise noch verschärfen. Klimaschutz kann und muss ein Treiber der wirtschaftlichen Erholung sein, denn er sichert langfristigen Wohlstand. Mit den Klimazielen von Paris und dem europäischen „Green Deal“ als neue Wachstumsstrategie wurden die Grundlagen geschaffen.
Die Krise lehrte uns, wie anfällig unser System ist: u. a. zeigen lange Lieferketten von wichtigen Gütern oder die Abhängigkeit von ausländischen Arbeitskräften im sozialen und landwirtschaftlichen Bereich die Schieflagen auf. Auch rückt die Krise ins Bewusstsein der breiten Öffentlichkeit, wie schlecht systemrelevante Berufe bezahlt werden. Hinzu kommt, dass besonders betroffene Berufsfelder wie Kassierer*innen, Krankenpfleger*innen und Pflegepersonal meist durch Frauen besetzt werden und somit auch eine Geschlechterungerechtigkeit vorliegt. Auch hier kann die Krise als Chance begriffen werden, die Löhne in den öffentlich geführten Einrichtungen zu erhöhen, um die Attraktivität der Arbeitsbereiche und die Geschlechtergerechtigkeit zu erhöhen. Dazu sollen Finanzhilfen an Bedingungen wie Tariflöhne geknüpft werden. Dies stärkt sowohl den sozialen Zusammenhalt, als auch die Binnennachfrage.
Gleichzeitig bestehen aber weiterhin die großen Herausforderungen, auch dem Klimawandel zu begegnen und die Landnutzung umweltfreundlicher auszurichten. Es kommt jetzt darauf, aus den Lehren der Krise die richtigen Schlüsse zu ziehen und vor allem die Bereiche zu fördern, die für eine zukunftsträchtige und nachhaltige Entwicklung unseres Landes besonders wichtig sind. Mit der Förderung der Kreislaufwirtschaft und Entwicklungen von Technologien zur Ressourceneffizienz können wir die Wirtschaft in Zeiten von Ressourcenknappheit besser aufstellen. Die Fördermittel sollten zudem stärker im Wettbewerb um die besten Ideen vergeben werden und nicht ausschließlich nach dem Windhund-Prinzip. In Brandenburg wollen wir noch stärker auf eine ökologischere und nachhaltigere Landnutzung und regionale Wertschöpfungsketten setzen. Die Krise ist zudem ein Weckruf für die Modernisierung und digitale Souveränität in allen Lebensbereichen. An diese Entwicklung gilt es anzuknüpfen, um sämtliche Wirtschafts- und Lebensbereiche im Land vollständig zu digitalisieren.
Brandenburg braucht daher ein Transformationsprogramm, das neben einer zukunftsorientierten wirtschaftlichen Entwicklung Klima- und Umweltschutz, digitale Souveränität sowie soziale Gerechtigkeit, gute Arbeit und faire Bezahlung als neue stets mitzudenkende Faktoren beinhaltet. Nur so können wir unsere Lehren aus der Krise ziehen und die doppelte Rendite – eine lebenswerte Umwelt und ökonomische Wertschöpfung – einfahren.*
Dazu sollen die Finanzzuweisungen aus dem kreditfinanzierten 2-Mrd.-Euro-Rettungsschirm auf ihre langfristigen Auswirkungen hin überprüft werden und nicht nur den kurzfristigen Beitrag im Blick haben. Auch angesichts der nie-dagewesenen Kreditaufnahmen, die bis zu 30 Jahre getilgt werden müssen, sollen langfristige und nachhaltige Ziele in den Blick genommen werden. Wenn wir die nachfolgenden Generationen schon mit Schulden belasten, muss dieses Geld auch für die Bewältigung der Klimakrise eingesetzt werden.
Daher schlagen wir für die Wiederbelebung der Brandenburger Wirtschaft ein Transformationsprogramm mit folgenden Zielen vor:
- Drastische Reduzierung der CO2-Emissionen
- Sozial und geschlechterpolitisch gerecht handeln – insbesondere bei Löhnen, Arbeit und Chancen
- Vergabe öffentliche Gelder an die Privatwirtschaft nur unter Umweltschutz-, Klima-, Digitalisierungs-, Sozial- und Gemeinwohlkriterien
- Stärkung regionaler Wertschöpfungs- und Lieferketten
- Verbesserung der Energie- und Ressourceneffizienz
- Ökologisierung der Landnutzung
Wir schlagen konkret als erste Schritte vor:
- Für die Förderung der Wirtschaft nach der Krise soll ein nennenswerter Teil der Corona-Kredite nachhaltig vergeben werden. Dazu schlagen wir vor, einen Brandenburger Transformationsfonds in dreistelliger Millionenhöhe aus den Mitteln des Corona-Rettungsschirms zu bilden. Dieser soll den wirtschaftlichen Neustart zukunftsweisender und nachhaltiger Brandenburger Unternehmen und Initiativen unterstützen. Investitionen in Klima- und Umweltschutz genießen dabei in jedem Falle Priorität. Alle geförderten Maßnahmen werden dafür einem Klimacheck unterzogen. Öffentliches Geld aus dem Transformationsfonds wird nur dann bereitgestellt, wenn dadurch pro Euro Umsatz weniger CO2 emittiert wird. Nur das ist fair, denn heutige Klimaschutzinvestitionen hinterlassen dauerhaft niedrige Energie- und Klimafolgekosten anstelle eines weiter wachsenden Schuldenbergs für kommenden Generationen.
- Transformationsziele, die den Klimaschutz oder das Gemeinwohl betreffen, werden von jedem Ministerium für die in der eigenen Verantwortung stehenden Unternehmen mit Landesbeteiligung formuliert und umgesetzt.
- Der Nachhaltigkeitsbeirat wird noch zu Beginn des 3. Quartals 2020 einberufen und beauftragt, die Erstellung eines regionalen Wohlfahrtsindexes voranzubringen. Künftig sind alle Strategien des Landes, die überarbeitet oder neu erstellt werden, an diesen Kriterien auszurichten. Zudem ist der Nachhaltigkeitsbeirat an der Erarbeitung des Transformationsfonds sowie aller weiteren Förderprogramme des Landes zu beteiligen.
- Die Pandemie zeigt deutlich, welche Bedeutung anständige Löhne und Arbeitnehmer*innenschutz haben. Nur durch einen soliden Arbeitsmarkt, wird die Konjunktur wieder in Schwung kommen. Die öffentliche Hand muss bei Unternehmensbeteiligungen anständige Löhne und gute Arbeitsbedingungen gewährleisten und Finanzhilfen an Tariftreueklauseln binden. Darüber hinaus sollte das „Bündnis für gute Arbeit“ fortgesetzt und Vorschläge für eine Erweiterung des Leitbilds „Gute Arbeit“ in der Pandemie unterbreitet werden.
- Im Sinne der sozialen Gerechtigkeit und der kommunalen Daseinsvorsorge erarbeiten wir einen kommunalen Rettungsschirm und eine Neuausrichtung des kommunalen Finanzausgleichs mit dem Ziel einer Orientierung am tatsächlichen Bedarf und der Angleichung von Lebensbedingungen im ganzen Land. Kommunale Investitionen müssen möglich bleiben und dabei den Kriterien einer ökologischen und sozialen Transformation entsprechen. Nur so helfen wir, die regionale Wirtschaft wieder anzukurbeln und dabei auch kommunale Unternehmen zu bedenken.
- Brandenburg sollte seine Einwirkungsmöglichkeiten über den Bundesrat nutzen und sich gegen eine Prämie für die komplette Autoindustrie aussprechen. Statt einer Abwrackprämie oder eine Kaufprämie für fossile Verbrenner sollte eine Mobilitätsprämie im Vordergrund stehen, mit der auch ÖPNV-Abos abgeschlossen oder (E-)Fahrräder erworben werden können. Zudem sollte das Land am Beispiel von Berlin ein Förderprogramm für den Erwerb von Elektroautos durch Gewerbebetriebe (WELMO) auflegen.
* Dies erfährt auch große Akzeptanz in der Bevölkerung, wie eine aktuelle Studie des NABU (pdf-Datei) zeigt. 84 Prozent der Befragten sind der Meinung, dass Deutschland als Antwort auf die Corona-Krise in Bereiche investieren soll, die Umwelt und Klima schützen und den Klimawandel deutlich verlangsamen. Außerdem befürworten 86 Prozent ein Konjunkturprogramm, das Unternehmen fördert, die klima- und umweltfreundlich agieren.