Tiere bitte gut behandeln
„Eindringlich appellieren wir an Sie als Ärztinnen und Ärzte, Ihrer großen Verantwortung gerecht zu werden und bei der Verschreibung von Antibiotika bzw. der Überwachung des Antibiotikaeinsatzes die größtmögliche Sorgfalt walten zu lassen.“
Das schrieben Ursula Nonnemacher und Benjamin Raschke in einem offenen Brief an Brandenburgs TierärztInnen. Während inzwischen deutschlandweit wieder weniger Antibiotika in der Tierhaltung verbraucht würden, hätten sich in den brandenburgischen Landkreisen Uckermark, Barnim und Prignitz die jährlich an TierärztInnen abgegebenen Antibiotikamengen zwischen 2011 und 2014 von etwa 15 auf 30 Tonnen verdoppelt, so die Sprecherin für Gesundheitspolitik und der für Landwirtschaft zuständige Abgeordnete unserer Fraktion weiter. Die weltweit erschwerte Behandlung ernsthafter Infektionskrankheiten beim Menschen aufgrund von Antibiotikaresistenzen habe auch mit dem massiven Antibiotikaeinsatz in der Landwirtschaft zu tun.
Hier die Reaktion einer Brandenburger Tierärztin:
„Wer die Antibiotika in der Veterinärmedizin zurückdrängen will, muss sich gleichzeitig für eine artgerechte Haltung unserer Nutztiere einsetzen, denn Intensivhaltung und massiver Antibiotikaeinsatz sind zwei Seiten einer Medaille. Ein paar Beispiele: Je mehr Tiere in einer Box zusammenstehen, desto größer ist die Gefahr, dass ein Tier mit einem Infekt alle anderen ansteckt oder dass sie sich gegenseitig verletzen – da kommen dann Antibiotika zum Einsatz. Eng in einer Box zusammengepferchte Tiere beginnen sich aus Stress zu kannibalisieren, die Schwänze abzubeißen. Bei offenen Wunden gibt es Antibiotika oder die Schwänze werden gleich kupiert. Wenn eine Kuh auf Spaltenboden schlecht steht, gibt sie weniger Milch – auch da wird schon mal mit einem Antibiotikum nachgeholfen. Wir Tierärzte, die wir auch den hypokratischen Eid geschworen haben, müssen uns noch mehr um das Tierwohl in unseren Beständen bemühen und dürfen hier keine Kompromisse eingehen; viel zu lange waren wir den sogenannten modernen Haltungsbedingungen gegenüber zu großzügig.
Es ist eigentlich verboten, Antibiotika prophylaktisch oder ohne Rezept ins Futter zu mischen, und es passiert doch. Obwohl es vorgeschrieben ist, vor Antibiotikagabe per Labortest zu prüfen, ob das Mittel bei diesem Tier wirkt, passiert das nicht immer – aus Desinteresse, aus finanziellen Gründen, evtl. auch durch den Druck der Landwirte. Und ich habe selbst erlebt, dass Tiere, die vorher noch nie mit Antibiotika behandelt wurden,
trotzdem auf gängige Antibiotika nicht mehr reagierten.
Unser Berufsstand hat eine große Verantwortung für das Tierwohl, aber auch für die Gesundheit der Menschen. Wenn wir den Einsatz von Antibiotika in der Tier- wie in der Humanmedizin nicht drosseln, drohen wir in einen nicht mehr rückgängig zu machenden Therapienotstand durch multiresistente Keime zu geraten.“
Heike Großklaus, Tierärztin aus Teltow-Fläming