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Aktionsprogramm digitale Bildung

Antrag „Aktionsprogramm digitale Bildung“ herunterladen (PDF, 245 KB)

Der Landtag stellt fest:

Mit der veränderten Situation durch die Auswirkungen der Corona-Pandemie standen Schulen, Lehrkräfte, Eltern sowie Schülerinnen und Schüler in den letzten Monaten plötzlich vor einem völlig veränderten Schulalltag - der Kombination von Präsenzunterricht- und Distanzlernen.

Die vergangenen Wochen haben gezeigt, dass es in Brandenburg bereits zahlreiche Schulen gibt, die mit digitalen Angeboten kurzfristig, flexibel und adäquat auf die veränderten Rahmenbedingungen im schulischen Lernen und Lehren reagiert haben.

Diese Erfahrungen verdeutlichen, dass bei der Ausstattung der Schulen mit digitalen Medien in den letzten Jahren erhebliche Fortschritte gemacht werden konnten. Das Land Brandenburg hat diese positive Entwicklung unter anderem mit den beiden medienfit-Landesprogrammen, dem DigitalPakt Schule von Bund und Ländern 2019-2024 sowie der Pilotierung der Schul-Cloud Brandenburg und deren Ausweitung im Zuge der Corona-Pandemie maßgeblich befördert; in Kürze wird zudem noch in Ergänzung des DigitalPakts ein Sofortausstattungsprogramm für digitale Endgeräte aus Bundesmitteln aufgelegt.

Allerdings haben die zurückliegenden Wochen ebenso verdeutlicht, dass vielerorts noch erheblicher Handlungsbedarf besteht. Um in Zukunft besser gerüstet zu sein und im Schuljahr 2020/2021 im Rahmen des kurzfristig Machbaren flexibler auf das Infektionsgeschehen reagieren zu können, sind im Lichte der Erfahrungen aus der Corona-Pandemie weitere kurz- und mittelfristige Maßnahmen erforderlich, um - insbesondere im Falle einer weiteren Infektionswelle – noch besser vorbereitet zu sein und vergleichbare Belastungen für Schülerinnen und Schüler sowie für Pädagoginnen und Pädagogen bei Lehre, Lernen und Betreuung bestmöglich zu vermeiden.

Vor diesem Hintergrund möge der Landtag beschließen:

Die Landesregierung wird aufgefordert,

- im Austausch mit den Schulträgern abzustimmen, wie die Ausstattung der Schulen mit digitalen Endgeräten für Schülerinnen und Schüler aus den kürzlich zusätzlich zur Verfügung gestellten Bundesmitteln gezielt und zügig erfolgen kann;

- im Austausch mit den Schulträgern zu klären, wie kurz- bis mittelfristig Klassenräume mit Konferenzsystemen für Videounterricht oder Online-Konferenzen ausgestattet werden können;

- ein verbindliches Konzept für die Nutzung von datenschutzkonformen Austauschplattformen vorzulegen;

- ein Programm zum Einsatz von zusätzlichem Personal (beispielsweise Studierende) zur Unterstützung und Entlastung der Lehrkräfte zu entwickeln;

- den Lehrkräften zusätzliche Fortbildungsmöglichkeiten für digital-interaktiven Unterricht anzubieten;

- die Lehrerbildung an der Universität Potsdam im Hinblick auf digitale Angebote und Methoden weiterhin eng und zukunftsgerichtet zu begleiten und in diesem Rahmen auch zu prüfen, ob und inwieweit digitale Angebote künftig gegebenenfalls anzupas-sen sind;

- zu prüfen, inwieweit die neunte Zeitreihenstudie zur Situation und Lebenslage von Kindern und Jugendlichen vorgezogen werden könnte, um die Folgen der Corona-Pandemie zu untersuchen und gezielt unterstützende Maßnahmen zur weiteren Aus-gestaltung des Aktionsprogramms auf den Weg bringen zu können;

- einen Leitfaden zur Unterstützung für den Fall zukünftiger Einschränkungen des Re-gelbetriebs anhand von Best-Practice-Erfahrungen zum Einsatz digitaler Medien, zum Distanzlernen und zum eingeschränkten Präsenzunterricht zu entwickeln.

Begründung:

In der Zeit, in der die Erteilung von Präsenzunterricht zeitweilig untersagt war oder seit Ende April nur tageweise und nicht gemäß Stundentafel erfolgen konnte, wurde deutlich, dass Kinder und Jugendliche verschiedene Stärken bei der Gestaltung des eigenen Lernprozesses aufweisen. Auch die digitalen Kompetenzen sowie die technischen Voraussetzungen für digitales Lernen und die Unterstützungsmöglichkeiten der Eltern waren sehr unterschiedlich. Dies hatte Auswirkungen auf den Erwerb von Kompetenzen und auf die Verarbeitung der Situation durch die Kinder. Verschiedene Studien weisen darauf hin, dass durch die Kita- und Schulschließungen die Lernunterschiede zwischen den Kindern aus benachteiligten und nicht benachteiligten Familien größer werden. Für viele Kinder wird es eine zunehmende Herausforderung den Anschluss zu halten. Bestehende Unterschiede dürfen sich jetzt nicht verfestigen oder vertiefen und die Bildungsbiographien der Kinder negativ beeinflussen. Dies ist eine Frage der Bildungs- und Chancengerechtigkeit.

Vor diesem Hintergrund sollen geeignete Maßnahmen ergriffen werden, um die Ausstattung der Schulen mit digitalen Medien weiter voranzubringen und die Voraussetzungen für digitalen Unterricht weiter zu verbessern. Hierzu sollen im Austausch mit den Schulträgern die Ausstattung der Schulen mit digitalen Endgeräten für die Schülerinnen und Schüler weiter verbessert und die Installation von Konferenzsystemen für Videounterricht oder Online-Konferenzen in den Klassenzimmern vorangebracht werden. Dies würde auch ermöglichen, dass im Rahmen des Regelbetriebs Schülerinnen und Schüler oder Lehrkräfte, die zur Risikogruppe zählen, in die Klassenräume zugeschaltet werden könnten. Um Lehrkräften und Schülerinnen und Schülern die Sicherheit zu geben, welche digitalen Austauschprogramme sie rechtssicher und datenschutzkonform nutzen können und dürfen, soll die Landesregierung ein verbindliches Regelwerk hierzu erstellen.

Durch die Umsetzung eines Programms zum Einsatz von zusätzlichem Personal zur Unterstützung und Entlastung von Lehrkräften könnten gleich mehrere Ziele mit einander verbunden werden. Lehramtsstudierende könnten beispielsweise unter Anerkennung ihres Praxissemesters bei der Entwicklung und Durchführung von Digitalisierungskonzepten eingesetzt werden. Gleichzeitig würden für sie neue Verdienstmöglichkeiten anstelle pandemiebedingter Jobverluste geschaffen. Freischaffende oder junge Menschen im Freiwilligen Jahr könnten das Team Schule verstärken.

Das medienfit-Programm sieht eine Beratung und Begleitung von Schulleitungen und Lehr-kräften durch das Landesinstitut für Schule und Medien Berlin-Brandenburg (LISUM) sowie durch speziell geschulte Schulberaterinnen und Schulberater vor. Vor dem Hintergrund der Erfahrungen aus den Schulschließungen während der Corona-Pandemie können die Fort-bildungsprogramme konzeptionell angepasst werden. Auch die Ausweitung der Schul-Cloud Brandenburg im Schuljahr 2020/2021 auf dann rund 500 Schulen verbunden mit dem Videokonferenztool „BigBlueButton“ erfordert die Aneignung zum Umgang und sinnvollen Ein-satz dieses Mediums. Die Fort- und Weiterbildung kann auch digital unterstützt werden.

Das Zentrum für Lehrerbildung und Bildungsforschung (ZeLB) an der Universität Potsdam beschäftigt sich schon seit geraumer Zeit mit der Verankerung der Medienbildung in der Lehrkräfteausbildung. Auch vor dem Hintergrund, dass alle Studierenden und Lehrenden im Rahmen des Corona-bedingten digitalen Sommersemesters eigene Erfahrung im Umgang mit digitalen Medien im Lehr- und Lernalltag machen, dürften diese Überlegungen einen ungeheuren Schub und Auswirkungen auf die Curricula der Lehrkräfteausbildung erfahren.

Das Institut für angewandte Familien-, Kindheits- und Jugendforschung (IFK) als An-Institut an der Universität Potsdam erstellt in regelmäßigen Abständen Studien zur Situation und Lebenslage von Kindern und Jugendlichen. Die achte Studie aus dem Jahr 2017 wurde im März 2018 der Öffentlichkeit vorgestellt. Die nächste Studie wäre eigentlich erst für das Jahr 2022 geplant. Um die Folgen der besonderen Ausnahmesituation für Kinder und Jugendliche während der Corona-Pandemie wissenschaftlich auszuwerten, böte es sich an, diese Studie vorzuziehen und aus den Ergebnissen gegebenenfalls entsprechende, gezielte Maß-nahmen abzuleiten.

Sollte es aufgrund des Infektionsgeschehens zu erneuten Einschränkungen des Schulbetriebs kommen oder sollte eine andere Pandemie zukünftig ähnliche Maßnahmen erzwingen, wäre es hilfreich, auf Best-Practice-Erfahrungen zum Einsatz digitaler Medien, im Um-gang mit Distanzlernen und eingeschränktem Präsenzunterricht zurückgreifen zu können.

Die Landesregierung wird gebeten, solche Beispiele zusammenzutragen und daraus einen unterstützenden Leitfaden für die Praxis zu entwickeln.

Die Maßnahmen sollen, soweit möglich und soweit sie nicht aus laufenden Bundesprogrammen finanzierbar sind, aus Mitteln des § 8a NTHG 2020 finanziert werden.